Freistellung Arbeitnehmer: erlischt das Betriebsratsmandat?

Auch gewählte Betriebsratsmitglieder müssen nicht zwingend bis zum Ende ihrer Amtszeit ihrem Arbeitgeber „treu“ bleiben. Sie können das Unternehmen trotz ihres Amtes verlassen, verlieren dann aber auch ihr Betriebsratsmandat. Was aber ist, wenn nicht eine Kündigung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis beendet, sondern ein Aufhebungsvertrag mit Freistellungsvereinbarung? Verliert das Betriebsratsmitglied dann schon während der Freistellung sein Mandat? Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen befasst (LAG Hessen, Beschluss v. 21.12.2020, Az.: 16 TaBVGa 189/20). Erlöschen des Betriebsratsmandats Es gibt verschiedene Gründe, aus denen die Mitgliedschaft im Betriebsrat erlöschen kann. Hierzu zählt zum einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 24 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), zum anderen aber auch der Verlust der Wählbarkeit, § 24 Nr. 4 BetrVG. Ein solcher Verlust liegt u.a. vor, wenn das Betriebsratsmitglied aus der Belegschaft ausscheidet, weil es beispielsweise in einen anderen Betrieb desselben Arbeitgebers versetzt wird. Worum ging es vor dem LAG Hessen? Der Arbeitnehmer, der Mitglied des Betriebsrats war, hatte mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Hierin war vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis am 31.12.2021 enden soll. Außerdem sah der Vertrag die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vor. Trotz seiner Freistellung war der Arbeitnehmer weiterhin für den Betriebsrat tätig und nahm regelmäßig an den Betriebsratssitzungen teil. Der Personalleiter des Arbeitgebers fand das nicht gut. Er war der Ansicht, dass der Aufhebungsvertrag und die unwiderrufliche Freistellung zum Verlust des Betriebsratsamts geführt hätten. Der Personalleiter ließ daher die Zugangskarte des Arbeitnehmers zu den Betriebsräumen – die entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag noch in dessen Besitz war – sperren. Auch der Zugang zum IT-System des Unternehmens wurde dem Arbeitnehmer verwehrt. Gegen dieses Vorgehen wandte sich der Arbeitnehmer an das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. Das Gericht möge u.a. feststellen, dass er weiterhin Mitglied des Betriebsrats sei. Nachdem er mit seinen Anträgen hier erfolglos war, legte er Beschwerde beim Hessischen LAG ein. Wie hat das LAG entschieden? Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und hob den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. auf. Der Arbeitnehmer sei weiterhin Mitglied des Betriebsrats. Sein Betriebsratsmandat sei weder durch den Aufhebungsvertrag noch durch die Freistellung erloschen. Sie ende entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen erst, wenn auch das Arbeitsverhältnis am 31.12.2021 ende. Im Aufhebungsvertrag hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur die „individualvertragliche“ Rechtsbeziehung geregelt: dass und wann das Arbeitsverhältnis endet, die Freistellung und die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Firmeneigentum zurückzugeben. Es wäre darüber hinaus ein Leichtes gewesen, auch die „kollektivrechtliche“ Beziehung (= die Tätigkeit als Betriebsrat) zu regeln. So hätten die Parteien nach Ansicht des Gerichts im Aufhebungsvertrag vereinbaren können, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt vor seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen von seinem Betriebsratsamt zurücktritt. Da der Aufhebungsvertrag zur Betriebsratstätigkeit keinerlei Regelung enthalte, könne das nur so gedeutet werden, dass er keine unmittelbare Auswirkung auf die Betriebsratstätigkeit des Arbeitnehmers haben sollte. Der Arbeitnehmer müsse daher die Möglichkeit bekommen, sein Amt bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Unternehmen wahrzunehmen. Erkenntnisse aus dem Urteil Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags birgt Tücken, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Für beide Parteien kann es ärgerlich sein, wenn wesentliche Punkte übersehen werden. Ist der Arbeitnehmer Mitglied des Betriebsrats, sollte insbesondere eindeutig geklärt werden, welche Konsequenzen der Aufhebungsvertrag für das Mandat haben soll. Sie möchten mit Ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließen und dabei keinen entscheidenden Punkt vergessen? Oder Sie sind Betriebsratsmitglied und möchten während einer Freistellung Ihr Betriebsratsmandat weiter ausüben? Sprechen Sie mich an! Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht berate Sie in Augsburg und Umgebung zu allen Fragen des Arbeitsrechts. Sie erreichen mich telefonisch unter 0821/ 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.weiterlesen

Betriebsrat: Beteiligung wegen Versetzung bei kurzer Zuweisung auf anderen Arbeitsplatz?

Verlangen Arbeitgeber, dass Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Aufgabe arbeiten, ist das regelmäßig eine Versetzung. Kommt es zu einer Versetzung, hat der Betriebsrat meist ein Mitbestimmungsrecht. Doch was ist, wenn Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nur kurzzeitig wechseln? Darüber hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden: Betriebsrat und Arbeitgeber stritten über die Frage, ob bei kurzer Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs eine mitbestimmungspflichtige Versetzung von Arbeitnehmern vorliegt (BAG, Beschluss v. 29.9.2020, Az.: ABR 21/19). Eine Stunde an die Kasse Im Fall vor dem BAG stritt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat – der Arbeitgeber betreibt bundesweit Einrichtungshäuser. Bei hohem Kundenandrang und personellen Engpässen müssen Arbeitnehmer*innen verschiedenster Abteilungen in den Bereichen „Kasse“ und „Logistik“ kurzzeitig aushelfen. Die Dauer dieser Einsätze beträgt dann jeweils eine halbe bis max. sechs Stunden. Die vereinbarte Arbeitszeit und Vergütung bleiben gleich. Die betroffenen Arbeitnehmer*innen, die immer wieder einmal in anderen als ihren eigentlichen Tätigkeiten eingesetzt werden, stammen unter anderem aus den Bereichen Personalplanung, Haustechnik, EDV oder sind Mitarbeiter*innen der Bereiche Verkauf/Kommunikation/Einrichtung oder Team- und Abteilungsleiter*innen etc. Beim kurzzeitigen Arbeitsplatzwechsel an die „Kasse“ bedienen sie eine Scannerkasse oder unterstützen Kunden an Selbstbedienungskassen. Die Lärmbelästigung für die Mitarbeitenden ist dort sehr hoch. Beim Einsatz im Bereich „Logistik“ füllen die Mitarbeitenden entweder Regale auf oder kommissionieren Waren im Lager und bringen diese zur Warenausgabe etc. Hier besteht die Belastung vor allem in teils enormen Temperaturschwankungen. Mit diesem sehr „flexiblen“ Einsatz von Mitarbeitenden war der Betriebsrat im Unternehmen nicht wirklich einverstanden. Er erklärte, dass er bei diesen kurzzeitigen Einsätzen ein Mitbestimmungsrecht habe. Der Arbeitgeber lehnte eine Beteiligung des Betriebsrats ab. Daraufhin erhob der Betriebsrat Feststellungsklage mit einem Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst. Er beantragte u.a. festzustellen, dass die kurze Zuweisung auf einen anderen Arbeitsplatz zwischen einer halben und sechs Stunden das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst. BAG-Entscheidung: Versetzungsbegriff erfordert erhebliche Änderung der Umstände Das Arbeitsgericht (ArbG) wies die Anträge des Betriebsrats zunächst ab, das zuständige Landesarbeitsgericht gab ihnen in der nächsten Instanz teilweise statt. Letztlich musste also das BAG entscheiden. Das kam zu dem Ergebnis, dass der Globalantrag des Betriebsrats unbegründet war. Denn der gestellte Globalantrag würde sich auch auf Fallgestaltungen beziehen, bei denen kein Beteiligungsrecht besteht. Nach Auffassung des Gerichts hat ein Globalantrag dann keinen Erfolg, wenn er sich auch auf Konstellationen bezieht, bei denen der Antrag unbegründet ist.   So war es hier der Fall: ein halbstündiger Aushilfseinsatz sei keine mitbestimmungspflichtige Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, da er nicht mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) liegt bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs u.a. dann eine zustimmungspflichtige Versetzung vor, wenn diese mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Maßgeblich dafür sind nach BAG die äußeren Umstände, wie z. B. Lage der Arbeitszeit, Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Hilfsmitteln oder Faktoren wie Lärm, Schmutz, Kälte oder Nässe. Dass nur einzelne Faktoren anders seien, reiche nicht aus – vielmehr müsse die Veränderung insgesamt „erheblich“ sein. Die Änderung der äußeren Arbeitsbedingungen muss also aus objektiver Sicht bedeutsam und für betroffene Mitarbeitende gravierend sein, um von einer zustimmungspflichtigen Versetzung ausgehen zu können. Bei einer halbstündigen Zuweisung einer anderen Tätigkeit sei das nach dem BAG trotz Lärmbelästigungen oder Temperaturschwankungen nicht der Fall. Angesichts der 30-minütigen Dauer sind die Belastungen, die mit den Änderungen durch den Arbeitsplatzwechsel einhergehen, aus objektiver Sicht nicht besonders gravierend. Kurzer Arbeitsplatzwechsel ohne Betriebsratsbeteiligung möglich Das BAG hat in seiner Entscheidung das Mitbestimmungsrecht für Versetzungsfälle konkretisiert: Soll die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs nur von kurzer Dauer sein, ist das nur dann eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Versetzung, wenn die Zuweisung aus objektiver Sicht mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Kurze Aushilfstätigkeiten in anderen Abteilungen etc. sind davon jedenfalls nicht erfasst. Sie haben Fragen zum Thema Versetzung und Beteiligung des Betriebsrats? Sie erreichen mich telefonisch unter 0821/ 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.weiterlesen

Benachteiligungsverbot für Betriebsräte: Beweislast beim Betriebsratsmitglied

Betriebsratsmitglieder werden – je nach Funktion – teilweise von ihrer eigentlichen Arbeitsverpflichtung freigestellt, um ihre Aufgaben im Betriebsrat optimal erfüllen zu können. Das kann z.B. Betriebsratsvorsitzende betreffen. Weil diese Mitarbeiter*innen wegen ihrer Freistellung keine weitere Berufserfahrung sammeln können, kann das dazu führen, dass sie bei Beförderungen wegen „mangelnder praktischer Erfahrung“ übergangen werden. Das kann grundsätzlich eine nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verbotene Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern sein. Aber wer muss Beweis dafür antreten, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handelt? Die Frage hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) beantwortet (BAG, Urteil v. 20.01.2021, Az.: 7 AZR 52/20). Bei interner Bewerbung benachteiligt? Im Fall, der letztlich vor dem BAG endete, klagte ein Mann, der als Betriebsratsvorsitzender in einem Krankenhaus tätig ist und für seine Betriebsratstätigkeit von seiner eigentlichen arbeitsvertraglichen Aufgabe freigestellt war. Bevor er für sein Amt freigestellt wurde, hatte er als Pflegedienstleiter und Stationsleiter für seinen Arbeitgeber gearbeitet. Zum (gerichtlichen) Streit kam es über einen Anspruch auf Vergütung als Pflegedirektor. Der Mitarbeiter hatte sich intern auf diese Stelle beworben. Nicht er war aber für die Stelle ausgewählt worden, sondern eine Stationsleiterin. In Notizen des Arbeitgebers zu den Vorstellungsgesprächen mit beiden Bewerbern fanden sich folgende Bemerkungen: Zum späteren Kläger „keine aktuelle Pflegeerfahrung aktiv“ – zur Mitbewerberin: „Erfahrung in der direkten Pflege und Stationsleitung sehr ausgeprägt“. Dennoch war die Vermutung des Betriebsratsvorsitzenden, er sei nicht befördert worden, weil er Betriebsrat sei. Deswegen erhob er Klage und stützte sie auf § 78 Satz 2 BetrVG. Er sei insofern als Betriebsratsmitglied benachteiligt worden, weil der Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Beförderung nur darauf abgestellt habe, dass ihm die aktuelle Pflegeerfahrung fehle. Das sei zwar korrekt. Der Grund dafür sei aber, dass er wegen der Freistellung von seiner eigentlichen Arbeitstätigkeit schlichtweg keine aktuelle praktische Erfahrung sammeln könne. Ohne die Freistellung für seine Betriebsratstätigkeit hätte er die Erfahrungen in der aktiven Pflege sammeln können, die ausschlaggebend für eine erfolgreiche Bewerbung hätten sein können. Eine Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG sah der Arbeitgeber allerdings nicht. Außerdem könne der Mitarbeiter nicht substantiiert vortragen, dass seine Bewerbung als Pflegedirektor ohne Betriebsratstätigkeit jedenfalls erfolgreich gewesen wäre. Gerichte entscheiden letztlich für Arbeitgeber Vor dem Arbeitsgericht (ArbG) scheiterte der Betriebsratsvorsitzende, vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) bekam er Recht. Hier waren die Richter der Auffassung, der Kläger habe ausreichend dargelegt, dass seine Beförderung „möglich und wahrscheinlich“ gewesen wäre, wenn er nicht Betriebsrat gewesen wäre. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Revision zum BAG ein und das letztlich mit Erfolg. Zwar sei die Situation in diesem Fall grundsätzlich geeignet, eine verbotene Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG zu sein: Lehnt der Arbeitgeber eine Beförderung ab, weil dem Betriebsratsmitglied Berufserfahrung fehlt – fehlt diese aber nur wegen einer Freistellung aufgrund der Tätigkeit als Betriebsrat –, ist das eine Benachteiligung. Das muss der Betroffene allerdings substantiiert darlegen. Es würde nicht ausreichen, wenn der Betroffene vorträgt, dass die Beförderung ohne das Betriebsratsamt „möglich und wahrscheinlich“ gewesen wäre. Vielmehr müsse nachvollziehbar werden, dass es zur Beförderung ohne das Betriebsratsamt und seine Auswirkungen tatsächlich gekommen wäre. Damit Betroffene diesen Vortrag entsprechend machen können, muss der Arbeitgeber sich auf Nachfrage dazu wahrheitsgemäß erklären. Der Arbeitgeber muss die Gründe für die Entscheidung über die Beförderung so konkret benennen, dass der Betroffene sich dazu qualifiziert äußern kann. Nur so kann das Gericht auf Grundlage der festgestellten Tatsachen beurteilen, ob das Betriebsratsmitglied ohne die Betriebsratstätigkeit befördert worden wäre und wegen der Betriebsratstätigkeit nicht befördert wurde. Die theoretische Chance einer Beförderung reiche – wie hier – nicht aus, um davon auszugehen, dass der Kläger wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt wurde. Benachteiligung des Betriebsrats darzulegen Dieses Urteil macht deutlich: Wer sich auf eine Benachteiligung im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG berufen will, muss im Falle einer möglichen Übergehung bei einer Beförderung sehr konkret vortragen können, dass die Betriebsratstätigkeit der Grund dafür war. Andernfalls scheitert eine Klage auf Basis von § 78 Satz 2 BetrVG. Sie befürchten, dass Sie als Betriebsratsmitglied bei einer Beförderung benachteiligt wurden? Ich prüfe das als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht gerne für Sie! Kontaktieren Sie mich in Augsburg telefonisch unter 0821 / 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.  weiterlesen

Auflösung Arbeitsvertrag: bei unwahrem Vortrag im Kündigungsschutzprozess möglich

Ein Arbeitsverhältnis kann durch ordentliche oder fristlose Kündigung vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer beendet werden. Daneben kann aber auch das Gericht im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis auflösen, wenn ein Auflösungsgrund vorliegt. Eine unwahre Aussage des Arbeitnehmers im Prozess kann einen solchen Grund für eine solche Vertragsauflösung sein. So hat es das Landesarbeitsgericht Köln entschieden (LAG Köln, Urteil v. 21. 09.2020, Az.: 3 Sa 599/19). Auflösung Arbeitsverhältnis durch Gericht Nach § 9 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kann das Gericht im Kündigungsschutzprozess ein Arbeitsverhältnis auflösen, auch wenn Kündigung, um die es im Verfahren eigentlich geht, unwirksam war. Dafür muss ein sogenannter Auflösungsgrund vorliegen. Ein solcher Auflösungsgrund kann dann entweder darin bestehen, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Auf der anderen Seite – aus Sicht des Arbeitgebers – liegt ein solcher Grund vor, wenn nicht zu erwarten ist, dass eine „den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ möglich sein wird. Geht es darum, eben das aus Arbeitgebersicht einzuschätzen, kann das Gericht auch das Verhalten des Arbeitnehmers während des Prozesses berücksichtigen. Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln Im konkreten Fall vor dem LAG Köln haben die Parteien in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Köln darum gestritten, ob die fristlose bzw. ordentliche Kündigung des Arbeitgebers wirksam war. Der Arbeitgeber hatte seine Kündigung darauf gestützt, dass der Arbeitnehmer eigenmächtig Urlaub genommen hatte, ohne eine entsprechende Bewilligung abzuwarten. Das ArbG hielt jedoch sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam- das Arbeitsverhältnis sei nicht durch Kündigung beendet worden. Der Arbeitgeber legte beim LAG Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ein und stellte u.a. einen Auflösungsantrag. Die Begründung: der Arbeitnehmer habe vor dem ArbG bewusst unwahre Angaben zur Handhabung von Urlaubsanträgen im Unternehmen gemacht. Verhalten im Prozess ausschlaggebend Auch das LAG sah keinen ausreichenden Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung. Wohl aber hielt es den Auflösungsantrag des Arbeitgebers für begründet. Auch ein unwahrer Prozessvortrag könne die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG begründen. Das Gericht stellt klar, dass der Arbeitnehmer keine offensichtlich falschen Tatsachenbehauptungen in Bezug auf die Kündigungsgründe im Prozess machen durfte. Ob diese falschen Behauptungen für letztlich Einfluss auf das Urteil hatten, sei dabei unerheblich. Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer unwahre Aussagen getroffen habe, sei Zeichen genug dafür, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis so gut wie ausgeschlossen sei – Grund genug also für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund des Bestandsschutzes seien zwar strenge Anforderungen an die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu stellen. Der unwahre Tatsachenvortrag allein sei daher nicht ausreichend. Aber vor dem Hintergrund der besonderen Vertrauensposition, die der Arbeitnehmer als leitender Angestellter innehatte, sei es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, ihn weiter zu beschäftigen. Bedeutung für die Praxis Selbst wenn das Gericht feststellt, dass die ursprüngliche Kündigung unwirksam war, sollte man sich als Arbeitnehmer nicht in falscher Sicherheit wiegen. Auch das Verhalten im Kündigungsschutzprozess kann dem Arbeitgeber Anlass bieten, einen – unter Umständen erfolgreichen – Auflösungsantrag zu stellen. Sie möchten sich gegen eine Kündigung Ihres Arbeitgebers zur Wehr setzen? Sprechen Sie mich an! Der Kündigungsschutzprozess birgt Tücken, denen Sie sich besser mit kompetenter anwaltlicher Unterstützung stellen. Ich beantworte Ihre Fragen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht gerne und bin im Prozess an Ihrer Seite. Sie erreichen mich per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de oder telefonisch in Augsburg unter 0821 / 50 85 26 60.weiterlesen

Fristlose Kündigung wegen unentschuldigtem Fehltag in Probezeit?

Die Probezeit dient dazu, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen herausfinden, ob eine langfristige Zusammenarbeit in einem Arbeitsverhältnis sinnvoll ist. Immerhin genießen Arbeitnehmer*innen ja nach Ende der Probezeit erheblichen Kündigungsschutz. Aber wie gestaltet sich der Kündigungsschutz in der Probezeit? Können Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen beispielsweise eine Verkürzung der Kündigungsfrist in der Probezeit vereinbaren? Und ist eine fristlose Kündigung wegen eines unentschuldigten Fehltages ohne Abmahnung in der Probezeit zulässig? Damit befasste sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 03.06.2020, Az.: 1 Sa 72/20). Einen Tag unentschuldigt in der Probezeit Eine Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte hatte eine neue Beschäftigung in einer Kanzlei angetreten. Im Arbeitsvertrag hatte sie mit ihrem Arbeitgeber – abweichend von der gesetzlichen 2-Wochen-Vorgabe – eine kürzere einwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit vereinbart. Allerdings wurde der neuen Mitarbeiterin bereits in der ersten Arbeitswoche ordentlich gekündigt – mit der vereinbarten Frist von einer Woche. Direkt im Anschluss an die Kündigung erschien die Mitarbeiterin drei Tage nicht zur Arbeit. Für zwei dieser Tage konnte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, einen Tag fehlte sie unentschuldigt. Für den Arbeitgeber Grund genug, nun zusätzlich eine fristlose Kündigung auszusprechen – ohne vorherige Abmahnung. Klage gegen fristlose Kündigung Gegen diese fristlose Kündigung erhob die Arbeitnehmerin Klage – die fristlose Kündigung sei schlichtweg unwirksam. Ein einziger unentschuldigter Fehltag könne keine fristlose Kündigung rechtfertigen – eine Abmahnung sei wenigstens notwendig gewesen. Nur die erste, ordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet – allerdings mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen, nicht von einer Woche, wie vermeintlich im Arbeitsvertrag vereinbart. Denn die Verkürzung der Probezeit im Arbeitsvertrag war ihrer Auffassung nach nicht wirksam. Klage erfolgreich: fristlose Kündigung unverhältnismäßig Mit der Klage war die Arbeitnehmerin erfolgreich. Das Gericht kam einerseits zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung unwirksam, weil unverhältnismäßig war. Andererseits urteilte das Gericht auch, dass die Verkürzung der Kündigungsfrist für die ordentliche Kündigung nicht wirksam war. So hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Probezeit zwar wirksam ordentlich gekündigt, allerdings mit einer Frist von zwei Wochen, nicht mit einer Frist von einer Woche. Die fristlose Kündigung sah das Gericht als unverhältnismäßig und deswegen unwirksam an: der Arbeitgeber hätte bei nur einem unentschuldigten Fehltag zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Sofort aus diesem Grund eine fristlose Kündigung auszusprechen, sei nicht das notwendige „mildeste Mittel“ gewesen. Verkürzung Kündigungsfrist in Probezeit unwirksam Außerdem kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass die ordentliche Kündigung zwar wirksam war und das Arbeitsverhältnis beendet hatte. Jedoch sei die Verkürzung der Kündigungsfrist in der Probezeit auf eine Woche unwirksam. Das Gesetz sieht bei einer Probezeit von sechs Monaten in § 622 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vor, von der gem. § 622 Abs. 4 S. 1 BGB nur durch Tarifvertrag abgewichen werden kann, was vorliegend nicht der Fall war. Eine Verkürzung dieser Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag ist schlichtweg unwirksam. Auch in der Probezeit muss Arbeitgeber Regeln einhalten Der Kündigungsschutz in der Probezeit ist deutlich geringer als nach der Probezeit, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen sich in dieser Zeit gegenseitig und die Zusammenarbeit erproben können. Allerdings muss sich ein Arbeitgeber auch in dieser Phase an gesetzliche Vorgaben halten. So ist eine fristlose Kündigung auch in der Probezeit nur möglich, wenn kein milderes Mittel (z.B. eine Abmahnung des Fehverhaltens) den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin wieder zur Vernunft bringt. Und nicht zuletzt ist es für Arbeitnehmer*innen wichtig zu wissen, dass eine Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung in der Probezeit (zwei Wochen) nicht zulässig ist, wenn nicht in einem anwendbaren Tarifvertrag etwas anderes vereinbart ist. Der Unterschied: ist die Kündigungsfrist länger als gedacht, muss man zwar als Arbeitnehmer*in zwar meist bis zum Ende der Frist arbeiten (Ausnahme: Urlaubsanspruch!), hat aber auch Anspruch auf Lohn. Sie wollen gegen eine (fristlose) Kündigung in der Probezeit vorgehen? Die Kündigungsfrist wurde bei Ihrer Kündigung in der Probezeit unzulässig verkürzt? Ich kläre als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht gerne Ihre Fragen und vertrete sie bei Bedarf natürlich auch vor dem Arbeitsgericht. Kontaktieren Sie mich gerne in Augsburg telefonisch unter 0821 / 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.weiterlesen

Fristlose Kündigung wegen Drohung mit Krankmeldung

Wird Urlaub nicht genehmigt oder haben Mitarbeitende Streit mit dem Arbeitgeber, ist es keine Seltenheit, dass Arbeitnehmer*innen drohen „krank zu machen“. Die meisten wissen dabei nicht, dass genau dieses Verhalten schwerwiegende arbeitsrechtliche Folgen haben kann – bis hin zur fristlosen Kündigung. So entschied z.B. das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz, dass die Drohung mit einer Krankmeldung selbst dann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer in der Folge tatsächlich erkrankt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 21.7.2020, Az.: 8 Sa 430/19). Drohung mit Krankmeldung nach Arbeitgeberweisung Im Fall vor dem LAG ging es um einen Arbeitnehmer, der seinem Arbeitgeber damit drohte, sich krankzumelden, wenn er ihn weiter auffordern würde, am Arbeitsplatz zu erscheinen, obwohl er eigentlich von seinem Arbeitgeber für zwei Tage von der Arbeit freigestellt worden war, und zwar für den 13.05. und 14.05.2019. Am 13.05.2019 telefonierte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer, wobei es um eine mögliche Aufhebung des Arbeitsvertrages ging. Im Telefonat forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, am darauffolgenden 14.05.2019 „an seinem Arbeitsplatz zu einem Abstimmungsgespräch“ zu erscheinen. Der Arbeitnehmer erwiderte daraufhin, er könne ja noch krank werden. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Arbeitnehmer noch am gleichen Tag fristlos zu kündigen. Der Arbeitnehmer bekam das Kündigungsschreiben per Bote am selben Tag. Nachdem er das Schreiben erhalten hatte, ließ er sich wegen Stress von einem Arzt für den Zeitraum vom 14. bis zum 17.05.2019 arbeitsunfähig krankschreiben. Auf sich sitzen lassen wollte der Arbeitnehmer die Kündigung aber nicht und erhob Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung – zunächst erfolglos. Das Arbeitsgericht (ArbG) folgte der Auffassung des Arbeitgebers: Die „Erkrankung nach Ankündigung in gesunder Zeit“ sei geeignet, das Vertrauensverhältnis so schwer zu erschüttern, dass eine weitere Beschäftigung z.B. während einer einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar sei. LAG-Entscheidung: Drohung allein ist Kündigungsgrund Gegen dieses Urteil legte der Arbeitnehmer Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ein. Das LAG bestätigte allerdings die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Denn bereits die Art und Weise, wie der Arbeitnehmer vorging, sei eine kündigungsrelevante Nebenpflichtverletzung gewesen: Der Arbeitnehmer habe versucht, mit der Krankschreibungsandrohung den Arbeitgeber zum Widerruf seiner Anweisung „am Arbeitsplatz zu erscheinen“ zu erpressen. Das sei eine rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel – und damit ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Eine Abmahnung sei bei einer so schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht notwendig, so die Richter. Für die Wirksamkeit der Kündigung war es nach Ansicht des LAG auch unerheblich, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankte: Im Zeitpunkt der Drohung mit der Krankmeldung war der Arbeitnehmer unstreitig gesund. Entscheidend ist daher einzig, dass der Arbeitnehmer durch die rechtswidrige Drohung mit der Krankmeldung gegen seine Loyalitätspflichten als Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstieß. Das ist als Kündigungsgrund ausreichend. Letztlich hätte außerdem selbst eine rechtswidrige Weisung des Arbeitgebers nichts an der Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung geändert. Denn selbst eine rechtswidrige Weisung ist kein „Rechtfertigungsgrund“ für eine widerrechtliche Drohung gegen den Arbeitgeber. Fazit: Wer mit Krankmeldung droht, riskiert Kündigung! Droht ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber mit einer Krankschreibung, obwohl eine Erkrankung nicht besteht, riskiert er bzw. sie durchaus eine fristlose Kündigung. Denn die Entscheidung des LAG ist keine Einzelfallentscheidung! Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte bereits in einem anderen Fall, bei dem es um nicht genehmigten Urlaub ging, entsprechend: gesunde Mitarbeitende, die eine Krankschreibung ankündigen, um sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen oder den Arbeitgeber zu erpressen, geben dem Arbeitgeber durch ihr Verhalten Anlass, eine fristlose Kündigung – also eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – auszusprechen. Sie haben Fragen zu dem Thema Drohung mit Krankmeldung? Haben Sie eine Kündigung wegen einer Krankmeldung bekommen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf! Sie erreichen mich telefonisch unter 0821 / 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de! Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne.  weiterlesen

Dienstfahrt mit Unfallflucht: fristlose Kündigung!

Wer sich als Arbeitnehmer*in im Arbeitsverhältnis „danebenbenimmt“, muss mit Konsequenzen rechnen. Der Arbeitgeber kann in leichteren Fällen eine Abmahnung aussprechen, in schwereren Fällen aber auch eine ordentliche oder sogar fristlose Kündigung. Letzteres ist nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allerdings nur möglich, wenn der Arbeitgeber sich auf einen „wichtigen Grund“ für die fristlose Kündigung berufen kann. Liegt ein derartiger „wichtiger Grund“ vor, wenn ein Mitarbeiter während einer Dienstfahrt Fahrerflucht begeht? Dazu hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln geäußert (LAG Köln, Urteil v. 19.06.2020, Az.: 4 Sa 655/19). Worum ging es beim LAG Köln? Im Fall, über den das Landesarbeitsgericht entschied, war ein Müllkraftfahrer während seiner Schicht mit dem Müllwagen beim Rückwärtsfahren aus Versehen in eine Verkehrsinsel gefahren. Dabei verursachte er erheblichen Schaden an der Insel und den darauf angebrachten Verkehrsschildern. Der Müllfahrer machte zwar Bildaufnahmen vom Unfallort, behielt diese und den ganzen Vorfall aber für sich: weder informierte er seinen Arbeitgeber noch die Polizei. Natürlich kam das Ganze dennoch ans Licht und der Müllfahrer handelte sich einen Strafbefehl wegen „unerlaubtem Entfernen vom Unfallort“ (Fahrerflucht) nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) ein. Der Arbeitgeber des Müllfahrers – der eine Arbeitnehmerüberlassung betreibt – erfuhr nun ebenfalls von dem ganzen Geschehen und auch vom Schaden am Müllwagen in Höhe von ca. 6.000 EUR. Daraufhin sprach er gegenüber dem Mitarbeiter eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB aus. Hiergegen wehrte dieser sich mit einer Kündigungsschutzklage zunächst erfolglos vor dem Arbeitsgericht und anschließend vor dem Landesarbeitsgericht Köln. Die Entscheidung des Gerichts: fristlose Kündigung wirksam! Auch beim LAG hatte der Arbeitnehmer allerdings keinen Erfolg. Das Gericht hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Mit seinem Verhalten habe der Müllfahrer seine Pflicht zur allgemeinen Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem Arbeitsgeber massiv verletzt. Der Arbeitgeber habe bei einem derartig schwerwiegenden Fehlverhalten auch nicht zuerst eine Abmahnung aussprechen müssen. Es sei ihm auch nicht zuzumuten gewesen, an dem Arbeitsverhältnis noch länger festzuhalten und eine ordentliche Kündigung mit Kündigungsfrist auszusprechen. Der Arbeitnehmer habe nachgewiesenermaßen eine Verkehrsstraftat während seiner Tätigkeit als Kraftfahrer begangen. Weder Abmahnung noch ordentliche Kündigung wären in diesem Fall das verhältnismäßige mildere Mittel gewesen. Folgen für Berufskraftfahrer und Außendienst Wie alle Entscheidungen im Arbeitsrecht ist auch diese nicht ohne Weiteres zu verallgemeinern. Es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an. Dennoch sollten sich Berufskraftfahrer und Mitarbeiter im Außendienst darüber klar sein, dass sie eine fristlose Kündigung riskieren, wenn sie während einer Dienstfahrt Fahrerflucht begehen – nicht nur dann, wenn es tatsächlich zu einer Verurteilung nach § 142 StGB kommt. Aus diesem Grund sollten Sie als Arbeitnehmer*in auch kleinere Schäden oder Kollisionen noch am Unfallort der Polizei und anschließend dem Arbeitgeber melden. Verlassen Sie nicht den Unfallort, ohne zuvor die Polizei einzuschalten. Nur so können Sie vermeiden, wegen Fahrerflucht belangt zu werden und deswegen womöglich auch noch den Job zu verlieren. Ihr Arbeitgeber hat Ihnen fristlos gekündigt? Sie halten diese Kündigung für unwirksam und möchten sich dagegen wehren? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht helfe Ihnen gern und vertrete Sie bei Bedarf auch im Kündigungsschutzprozess. Rufen Sie mich in Augsburg unter 0821 / 50 85 26 60 an oder schreiben Sie eine E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.  weiterlesen

Kündigung: Heimliche Tonaufnahme beim Personalgespräch

Abgemahnt und nun zu einem Personalgespräch beim Chef geladen? In dieser Stresssituation können Arbeitnehmer*innen auf Ideen kommen, die dann zu noch mehr arbeitsrechtlichen Problemen führen können. So geschah es z.B. einem Arbeitnehmer, der auf die Idee kam, das Personalgespräch mit dem Chef heimlich auf dem Smartphone aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hielt das für unzulässig: Eine heimliche Tonaufnahme beim Personalgespräch kann den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen (LAG Hessen, Urteil vom 23. August 2017, Az.: 6 Sa 137/17). Personalgespräch nach Abmahnung heimlich mitgeschnitten Der Mitarbeiter eines Unternehmens war seit 25 Jahren bei eben diesem Unternehmen angestellt. Im November 2015 und Februar 2016 mahnte ihn der Arbeitgeber ab, weil er Kollegen u.a. als „Low-Performer-Burnout“, „faule Mistkäfer“ und „faule Schweine“ bezeichnete. Das blieb nicht ohne Folgen: der Arbeitgeber sprach eine Abmahnung aus, der Mitarbeiter wurde für zwei Wochen suspendiert und ein Personalgespräch wegen der abgemahnten Vorkommnisse anberaumt. Das Personalgespräch fand im März 2016 statt. Es nahmen Personalchefs des Arbeitgebers und ein Betriebsratsmitglied teil. Der Arbeitnehmer nahm das Gespräch heimlich mit seinem Smartphone auf. Als der Arbeitgeber im Mai 2016 von der heimlichen Tonaufnahme beim Personalgespräch erfuhr, folgte prompt die fristlose Kündigung. Kündigungsschutzklage gegen fristlose Kündigung Gegen die fristlose Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht (ArbG) wies die Klage ab: Durch die heimliche Aufnahme des Personalgesprächs habe der Arbeitnehmer die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht so schwer verletzt, dass die Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gerechtfertigt sei. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitnehmer allerdings Berufung ein. Das ArbG hätte nicht beachtet, dass er sich beim Arbeitgeber entschuldigt und die Aufnahme sofort gelöscht habe, als er erfuhr, dass heimliche Tonaufnahmen unzulässig sind. Er habe nicht gewusst, dass ein solches Vorgehen nicht in Ordnung ist. Außerdem hätte sich das Personalgespräch um eine unberechtigte Abmahnung und unberechtigte Suspendierung gedreht. Der Arbeitgeber habe ihn dadurch zuerst in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Daher sei sein Verhalten gerechtfertigt gewesen. Heimliche Tonaufnahme Personalgespräch: rechtswidrig & ungerechtfertigt Anders sah es allerdings auch das LAG Hessen und schloss sich der Meinung des Arbeitsgerichts an: Der heimliche Mitschnitt des Personalgesprächs ist ein geeigneter Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 BGB. Der Arbeitnehmer hat seine Pflichten zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB missachtet. Vor allem habe er mit der heimlichen Tonaufnahme beim Personalgespräch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Gesprächsteilnehmer aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Dieses Grundrecht umfasst den Schutz am gesprochenen Wort – insbesondere die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes. Danach darf grundsätzlich jeder darüber bestimmen, wer sein Wort aufnehmen darf und ob und von wem eine Aufnahme abgespielt werden darf. Dass der Arbeitnehmer angeblich nicht wusste, dass heimliche Tonaufnahmen unzulässig sind, und auch die Behauptung, er sei selbst durch das Verhalten seines Arbeitgebers in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, rechtfertigen sein Verhalten nicht. Er hätte sich vor dem Personalgespräch über die Zulässigkeit seines Vorhabens informieren müssen. Denn die vorherige Abmahnung und Suspendierung rechtfertigen die heimliche Tonaufnahme selbst dann nicht, wenn sie rechtswidrig waren. Denn zwischen beidem bestehe schlichtweg kein Rechtfertigungszusammenhang: die Tonaufnahme sei kein sinnvolles bzw. notwendiges Verteidigungsmittel, um sich gegen eine rechtswidrige Abmahnung oder Suspendierung zu wehren. Und nicht zuletzt reiche auch die spätere Entschuldigung angesichts der Gesamtumstände und der Interessenabwägung nicht aus, um die außerordentliche Kündigung als unangemessen einzustufen. Fazit: Heimliche Tonaufnahmen nie empfehlenswert! Heimliche Tonaufnahmen am Arbeitsplatz sind Arbeitnehmern nie zu empfehlen. Egal, ob bei Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen oder dem Arbeitgeber. Denn heimliche Mitschnitte sind immer eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung und als prozessuale Beweismittel regelmäßig unzulässig. Außerdem können heimliche Tonaufnahmen strafrechtliche Konsequenzen haben: die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes ist durch das Strafgesetzbuch geschützt. Sie haben Fragen zu heimlichen Tonaufnahmen beim Personalgespräch? Sie haben eine fristlose Kündigung bekommen? Lassen Sie sich beraten, als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne! Sie erreichen mich per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de oder in Augsburg telefonisch unter 0821/50 85 26 60.weiterlesen

Außerordentliche Kündigung wegen rassistischer Äußerungen

Rassistische Äußerungen unter Kollegen stören den Betriebsfrieden. Aber können Arbeitgeber Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen wegen rassistischer Äußerungen direkt eine fristlose Kündigung aussprechen? Gibt es Besonderheiten, wenn ein Mitarbeiter ordentlich unkündbar ist? Darüber hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zu entscheiden (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 4 Sa 19/19). Rassistische Äußerungen unter Arbeitskollegen als Kündigungsgrund? Rassistische Äußerungen sind rechtlich als Beleidigung einzustufen und sind nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gilt außerdem: grobe Beleidigungen von Kollegen oder Kolleginnen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung sind, können durchaus ein Grund für eine rechtmäßige außerordentliche Kündigung sein. Damit eine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung rechtmäßig ist, muss sie allerdings auch verhältnismäßig sein. Das setzt voraus: es gibt kein milderes Mittel (z.B. Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung) es ist dem Arbeitgeber in Anbetracht aller Umstände nicht zumutbar, eine (unterstellte) ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Der Fall vor Gericht Ein 54-jähriger Arbeitnehmer hatte gegenüber dunkelhäutigen Mitarbeitern einer Fremdfirma und in Gegenwart seiner Kollegen auf dem Betriebsgelände rassistische Äußerungen gemacht und seine Worte mit Gesten untermauert. Einmal bezeichnete er die Kollegen als „diese elendigen Stinker, die stinken wie ein Tier“, „Dreckspack“. Außerdem erklärte er „die würde ich vom Boot treten und wenn sie mir zu nahekommen, die Knarre ziehen“. Dabei ahmte er mit Gesten das Durchladen einer Waffe nach. Ein weiteres Mal – unmittelbar im Anschluss – äußerte er sich wie folgt: „Hier muss ja ein Nest sein von diesen Scheißnegern. Die sollte man im Meer versenken, die stinken ja schon von Weitem.“ Als der Arbeitgeber von diesen Vorfällen erfuhr, kündigte er dem Mitarbeiter außerordentlich und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, obwohl der Mitarbeiter sich bei den Betroffenen entschuldigt hatte. Dagegen erhob der schwerbehinderte Mitarbeiter Kündigungsschutzklage. Fristlose Kündigung eines unkündbaren Mitarbeiters wegen rassistischer Äußerung? In der ersten Instanz bekam der Arbeitnehmer Recht. Das Arbeitsgericht (ArbG) hielt das rassistische Verhalten zwar grundsätzlich für geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Im Rahmen der Interessenabwägung kam es jedoch zu dem Ergebnis, dass diese arbeitsrechtliche Maßnahme aus zahlreichen Gründen unverhältnismäßig sei. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein. Das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Äußerungen nicht nur rassistisch und ausländerfeindlich seien, sondern auch von einer tiefen Menschen- und Lebensverachtung zeugten. Dieser Ausdruck rassistischer und fremdenfeindlicher Gesinnung rechtfertige sehr wohl eine außerordentliche Kündigung, zumal eine ordentliche Kündigung nicht möglich sei. Rassistische Äußerung: Kündigung ohne Abmahnung grundsätzlich möglich Das LAG stimmte dem Arbeitgeber in seiner Auffassung grundsätzlich zu. Ein Verhalten wie das des Mitarbeiters vor der anwesenden Betriebsöffentlichkeit stelle grob pflichtwidrige Hetzreden und eine Störung des Betriebsfriedens dar. Die Äußerungen seien nicht nur rassistisch, sondern auch zutiefst menschenfeindlich und menschenverachtend gewesen. Eine Abmahnung sei deswegen in einem solchen Fall tatsächlich grundsätzlich nicht notwendig, um eine Kündigung wegen eines solchen Verhaltens aussprechen zu können. Selbst die erstmalige Hinnahme einer solch schweren Pflichtverletzung sei für den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich — für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen. Allerdings beurteilten die Richter die außerordentliche Kündigung insgesamt als unverhältnismäßig: Eine ordentliche Kündigung wäre als milderes Mittel ausreichend gewesen. Das gelte vor allem im Hinblick auf 34 Jahre stets beanstandungsfreie Zusammenarbeit mit Kollegen unterschiedlichster Nationalitäten, im Hinblick darauf, dass es ein erstmaliges Fehlverhalten gewesen sei, er sich entschuldigt habe, der Mitarbeiter schwerbehindert sei und einer tarifvertraglichen Alterssicherung unterliege (ordentliche Kündigung ausgeschlossen). Auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist hielten die Richter nicht für rechtmäßig: eine außerordentliche Auslauffristkündigung kann sich nicht auf einen weniger gewichtigen Grund stützen, als er für eine ordentliche Kündigung notwendig wäre.   Fazit: Fristlose Kündigung wegen rassistischer Äußerungen im Einzelfall möglich Die Entscheidung des LAG zeigt, wie wichtig die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Falle einer außerordentlichen/fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB ist. Denn hier lag zwar grundsätzlich ein ausreichender Grund für solche arbeitsrechtliche Maßnahme vor. Die Interessenabwägung hat aber in diesem – sicherlich extremen – Fall dazu geführt, dass eine Kündigung trotz extremer rassistischer Äußerungen insgesamt unverhältnismäßig und damit unwirksam war. Sie haben vom Arbeitgeber eine fristlose Kündigung bekommen? Sie wollen Kündigungsschutzklage erheben? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Augsburg beantworte ich Ihre Fragen oder vertrete Sie vor dem Arbeitsgericht! Sie erreichen mich in Augsburg unter 0821 / 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.weiterlesen

Folgeerkrankung nicht mitgeteilt: Kündigung?

Wenn man als Arbeitnehmer*in krank ist, kann man sich vom Arzt krankschreiben lassen und muss für die Dauer der Krankschreibung nicht arbeiten. Man ist aber dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber Bescheid zu geben, wie lange man als Arbeitskraft voraussichtlich ausfallen wird. Wie ist es aber, wenn die Erkrankung länger dauert als ursprünglich erwartet und man weiterhin krankgeschrieben wird? Muss man das ebenfalls frühzeitig anzeigen? Und kann der Arbeitgeber kündigen, wenn man das nicht tut? Mit diesen Fragen hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasst (BAG, Urteil v. 07.05.2020, Az.: 2 AZR 619/19). Wer krank ist, muss dem Arbeitgeber Bescheid geben Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist man als Arbeitnehmer*in verpflichtet, eine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber mitzuteilen. Diese Mitteilung hat unverzüglich (= ohne schuldhaftes Zögern) zu erfolgen und muss auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit umfassen. Der Zeitpunkt der Mitteilung sollte grundsätzlich vor dem „normalen“ Arbeitsantritt liegen. Wird man wegen einer Folgeerkrankung erneut krankgeschrieben oder wird die ursprüngliche Krankschreibung verlängert, reicht das allerdings nicht aus. Man muss dem Arbeitgeber Bescheid geben, sobald man weiß, dass man länger ausfallen wird als angekündigt. Wer mit der Mitteilung wartet, bis die ursprüngliche Krankschreibung abgelaufen ist, verstößt gegen seine Anzeigepflicht. Konsequenz eines solchen Verstoßes kann eine Abmahnung oder sogar eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Worum ging es vor dem Bundesarbeitsgericht? Im Fall vor dem BAG war ein Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt und hatte vom Arbeitgeber deswegen eine erste Abmahnung erhalten. Diese begründete der Arbeitgeber damit, dass der Arbeitnehmer „ohne Angabe von Gründen“ der Arbeit ferngeblieben sei. Die nächste Abmahnung bekam der Arbeitnehmer, weil er nicht mitgeteilt hatte, dass er arbeitsunfähig erkrankt war, also eine vorhandene ärztliche Krankschreibung nicht vorgelegt hat. Die dritte Abmahnung ihm gegenüber erging, weil er auch eine weitere Krankschreibung wegen einer Folgeerkrankung dem Arbeitgeber nicht unverzüglich anzeigte. Nachdem er auch die Bescheinigung seines Arztes über eine weitere (Folge-)Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber vorenthielt, kassierte der Arbeitnehmer schließlich eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Dagegen wehrte er sich – vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht erfolgreich – mit einer Kündigungsschutzklage. BAG: auch Folgeerkrankungen muss man als Arbeitnehmer*in anzeigen Vor dem Bundesarbeitsgericht allerdings scheiterte der Arbeitnehmer. Nach Ansicht des Gerichts kann die Verletzung der Anzeigepflicht nämlich durchaus eine Abmahnung und auch eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Sinn und Zweck der Anzeigepflicht sei schließlich, dass der Arbeitgeber eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich der Einsetzbarkeit seiner Mitarbeiter*innen hat. Das Gericht nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Anzeigepflicht auch dann gilt, wenn man länger als erwartet arbeitsunfähig ist oder aber wegen einer Folgeerkrankung erneut krankgeschrieben wird. Innerhalb der Interessenabwägung kam das BAG zu dem Schluss, dass es für den Arbeitgeber grundsätzlich völlig irrelevant sei, ob jemand erstmalig, weiterhin oder anders arbeitsunfähig erkrankt sei. Dennoch seien natürlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Je einfacher und kurzfristiger ein Mitarbeiter ersetzt werden könne, umso weniger schwer wögen die Interessen des Arbeitgebers. Man könne aber von einem Arbeitgeber jedenfalls nicht erwarten, dass er bei lang andauernden Krankschreibungen oder immer wieder auftretenden Folgeerkrankungen weitere Ausfälle voraussehe und einplane. Es müsse sich auch nicht  vorsorglich um Ersatz kümmern. Was folgt aus dem Urteil des BAG? Wer dem Arbeitgeber nicht rechtzeitig Bescheid gibt, wenn eine erneute Krankschreibung wegen einer Folgeerkrankung erfolgt, riskiert zumindest eine Abmahnung. Kommt das häufiger vor, kann der Arbeitgeber auch eine ordentliche Kündigung aussprechen. Ob eine solche Kündigung allerdings auch sozial gerechtfertigt ist – dafür kommt wie so oft auf den konkreten Einzelfall an. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine Interessenabwägung „für“ den bzw. die Arbeitnehmer*in ausfällt. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass die Arbeitsunfähigkeit immer nur kurzfristig vom Arzt festgestellt werden kann. Das kann aber auch der Fall sein, wenn der Betrieb des Arbeitgebers durch die Abwesenheit der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers nicht nachhaltig beeinträchtigt wird. Ihr Arbeitgeber wirft Ihnen unentschuldigtes Fehlen vor? Sie haben deswegen eine Abmahnung oder eine Kündigung erhalten? Sprechen Sie mich an! Ich beantworte Ihre Fragen und vertrete Sie als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht außergerichtlich und bei Bedarf auch vor Gericht. Sie erreichen mich in Augsburg telefonisch unter oder per E-Mail an .weiterlesen

Arbeitsrecht: Abwehr der Zwangsvollstreckung bei Unterlassungsverpflichtung

Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Thema Zwangsvollstreckung ist in der arbeitsrechtlichen Praxis eher selten. Doch was ist, wenn der Arbeitgeber eine Unterlassungsverpflichtung wegen neuer Vereinbarungen mit dem Betriebsrat als gegenstandslos betrachtet? Kann der Arbeitgeber die Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung abwehren? Darüber entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (LAG Köln, Beschluss v. 11.9.2020, Az.: 9 TaBV 24/20). Unterlassungsverpflichtung gegen den Arbeitgeber & Zwangsvollstreckung Beteiligt der Arbeitgeber den Betriebsrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nicht, kann der Betriebsrat verlangen, das zu unterlassen. Eine gerichtliche Unterlassungsverpflichtung reicht im Regelfall, um den Arbeitgeber zu „motivieren“, den Betriebsrat zukünftig ordnungsgemäß zu beteiligen. Hält sich der Arbeitgeber dennoch nicht an seine Beteiligungspflicht, kann der Betriebsrat die Zwangsvollstreckung der Unterlassungsverpflichtung betreiben. Mittel dafür sind z.B. Zwangsgelder, die gegen den Arbeitgeber verhängt werden. Arbeitgeber: Gegenwehr gegen Zwangsvollstreckung aus Unterlassungstitel? Der Arbeitgeber kann beim Arbeitsgericht einen Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) stellen. Gibt das Gericht dem Antrag statt, wird die Vollstreckbarkeit des Unterlassungstitels aufgehoben und die Zwangsvollstreckung unmöglich – auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Um eine Vollstreckungsabwehr beantragen zu können, muss der Arbeitgeber Einwendungen geltend machen. Diese Einwendungen müssen den Unterlassungsanspruch betreffen und dürfen erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sein. Als Einwendungen kommen deswegen alle neuen Tatsachen in Betracht, die den Sachverhalt, der zu der früheren Entscheidung führte, maßgeblich verändern. Unterlassungstitel wegen fehlender Betriebsratsbeteiligung bei Parkplatzvergabe Im Fall vor dem LAG ging es um eine unterlassene Betriebsratsbeteiligung bei der Vergabe von Parkberechtigungen für abgesonderte Parkplätze im Sicherheitsbereich eines Flughafens. Der Arbeitgeber (Betreiber des Flughafens) legte den Personenkreis, der eine Parkberechtigung bekommen sollte, ohne Beteiligung des Betriebsrats fest. Das verletzte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Danach hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und in Fragen des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Weil bei der Parkplatzvergabe der Betriebsrat nicht beteiligt wurde, erwirkte der Betriebsrat beim LAG Köln einen Unterlassungstitel gegen den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber erhob hingegen Vollstreckungsabwehrklage beim Arbeitsgericht (ArbG) Köln gegen die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel. Man habe mit dem Betriebsrat nach der Entscheidung des LAG Köln eine Regelung getroffen. Inhalt der Regelung sei, dass die ursprüngliche, einseitig festgelegte Handhabe bei der Vergabe der Parkplätze so beibehalten werden darf. Als Gegenleistung habe man bestimmte Leistungen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zugesagt. Durch diese nachträgliche Vereinbarung habe sich der Unterlassungsanspruch erledigt. Das sah der Betriebsrat anders: eine Regelungsabrede könne die Vollstreckbarkeit des Unterlassungstitels des LAG Köln nicht beseitigen. Allerdings würde die beschriebene Regelungsabrede auch nicht existieren: man habe nicht auf das Mitbestimmungsrecht verzichtet, sondern nur zugesagt, die bisherige Zuordnung von Parkplätzen zu dulden. LAG-Entscheidung: Vollstreckungsabwehrklage nur bei erheblichen Einwendungen Das ArbG Köln wies die Vollstreckungsabwehrklage ab, das LAG Köln bestätigte diese Entscheidung – so bekam der Betriebsrat letztlich Recht. Der Arbeitgeber konnte keine erheblichen Einwendungen vortragen, so die Gerichte. Denn erheblich sind nur Einwendungen, die den titulierten Anspruch betreffen. Nach Auffassung der Gerichte wurde allerdings der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht durch eine Regelungsabrede beseitigt. Die Vereinbarung einer wirksamen Regelungsabrede setzt voraus, dass ein entsprechender Betriebsratsbeschluss vorliegt, der eine Zustimmung zu der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme beinhaltet und der dem Arbeitgeber mitgeteilt wird. Ein solcher Betriebsratsbeschluss existierte aber im Streitfall nicht. Die bloße Duldung eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens reicht nicht, um eine Regelungsrede anzunehmen. Fazit: Abwehr der Zwangsvollstreckung bei Unterlassungsverpflichtung nicht unmöglich! Der Fall des LAG Köln verdeutlicht, welche Voraussetzungen bei der Vollstreckungsabwehrklage des Arbeitgebers vorliegen müssen. Nur wenn tatsächlich Einwendungen vorliegen, die sich unmittelbar auf den ursprünglichen Unterlassungsanspruch beziehen, kann eine Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich sein. Im Falle von „Absprachen“ zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann es dann maßgeblich sein, ob bei Abreden auch die formellen Voraussetzungen (z.B. an eine Regelungsabrede) eingehalten wurden, damit „erhebliche Einwendungen“ überhaupt vorliegen. Sie haben Fragen zum Thema Unterlassungsanspruch, Zwangsvollstreckung etc. im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne. Kontaktieren Sie mich direkt telefonisch, in Augsburg unter oder per E-Mail an .weiterlesen