Ungleichbehandlung bei Sozialplanabfindung: Keine Abfindung für rentennahe Arbeitnehmer?

Ein Sozialplan dient grundsätzlich dazu, wirtschaftliche Nachteile auszugleichen, die Arbeitnehmer durch ihren Arbeitsplatzverlust nach einer betriebsbedingten Kündigung erleiden. Doch was ist, wenn ein Sozialplan einzelne Gruppen von Abfindungszahlungen vollständig ausschließt? Ist das zulässig?

Über diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Fall zu entscheiden, in dem ein Sozialplan Abfindungen für alle Arbeitnehmer ausschloss, die kurz vor der Rente standen (sog. rentennahe Arbeitnehmer, BAG, Beschluss v. 07.05.2019, Az.: 1 ABR 54/17). Der Betriebsrat sah in dem Ausschluss eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen Alters.

Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer wegen Alters

Im Arbeitsrecht gilt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Danach sind alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln und jede Benachteiligung hat zu unterbleiben. Arbeitgeber und Betriebsrat haben das zu überwachen und dürfen auch keine Vereinbarungen schließen, die eine Benachteiligung bewirken.

Wann eine Maßnahme oder Regelung den Arbeitnehmer tatsächlich benachteiligt und wann das ausnahmsweise zulässig sein kann, konkretisiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Für Benachteiligungen wegen Alters gilt insbesondere § 10 AGG, der zulässige Ungleichbehandlungen wegen Alters aufzählt. Dabei bestimmt § 10 Abs. 1 S. 1 AGG, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters immer dann zulässig ist, wenn sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Das bedeutet für Arbeitnehmer, dass eine Benachteiligung wegen Alters nicht automatisch eine unzulässige Benachteiligung ist. Die Zulässigkeit ist im Einzelfall anhand der Bestimmungen des § 10 AGG zu prüfen. Genau darum ging es im vorliegenden Fall des BAG.

Sozialplanabfindung für rentennahe Arbeitnehmer ausgeschlossen

Arbeitgeber und Betriebsrat stritten sich um die Frage der Wirksamkeit eines wegen Betriebsstilllegung beschlossenen Sozialplans. Da sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einig waren, wurde der Sozialplan durch einen Spruch der Einigungsstelle beschlossen. Es sollten Abfindungszahlungen erfolgen, die sich u.a. nach der Betriebszugehörigkeit und dem Alter der Arbeitnehmer berechneten.

Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer waren in dem Sozialplan ausgeschlossen: Arbeitnehmer, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im Anschluss an eine mögliche Bezugnahme von Arbeitslosengeld I einen gekürzten oder ungekürzten Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, sollten keine Abfindung bekommen.

Der Betriebsrat erklärte die Anfechtung des Einigungsspruchs. Er hielt die Ausschlussklausel im Sozialplan für eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer wegen ihres Alters.

Das Arbeitsgericht (ArbG) der ersten Instanz wies die Anfechtung zurück. In der zweiten Instanz bekam der Betriebsrat Recht. Der Arbeitgeber erhob daraufhin Rechtsbeschwerde vor dem BAG.

BAG-Beschluss: Ungleichbehandlung wegen Alters kann zulässig sein

Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht: Durch den Ausschluss von rentennahen Arbeitnehmern im Sozialplan sei der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Das ergebe die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall.

Der im Sozialplan vorgesehene Abfindungsausschluss für Arbeitnehmer bewirke zwar sehr wohl deren unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG. Die sei allerdings sachlich gerechtfertigt.

Die Ungleichbehandlung für Arbeitnehmer sei nach § 10 AGG zulässig. Das BAG erklärte dazu, dass Sozialplanleistungen eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion haben. Bei „rentennahen“ Arbeitnehmern dürften die Sozialplanleistungen nach § 10 S. 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG daher stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen orientiert werden, die durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine damit einhergehende Arbeitslosigkeit drohen.

Das sei vorliegend geschehen. Die Einigungsstelle durfte bei den rentennahen Arbeitnehmern von einer hinreichenden wirtschaftlichen Absicherung ohne Abfindung ausgehen. Bei Arbeitnehmern ohne Rentenanspruch seien die Nachteile hingegen schwerer abzuschätzen, weshalb höhere Sozialplanleistungen angemessen und erforderlich seien. Die Benachteiligung beruhe somit auf einem legitimen Ziel und der Ausschluss sei angemessen.

Fazit

Diese Entscheidung zeigt, dass eine Ungleichbehandlung wegen Alters im Sozialplan nicht immer gegen das Benachteiligungsverbot verstößt. Gibt es seitens des Arbeitgebers legitime Sachgründe, kann eine Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer zulässig sein.

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