Wer sich gegen eine Kündigung seines Arbeitgebers zur Wehr setzen möchte, muss das innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist tun, § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Denn erhebt der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig Kündigungsschutzklage, gilt die Kündigung als wirksam und beendet das Arbeitsverhältnis.
Wann aber beginnt die Klagefrist zu laufen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung in den Briefkasten des Arbeitnehmers wirft? Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht befasst (BAG, Urt. v. 22.8.2019, 2 AZR 111/19).
Zugang einer Kündigung: Verkehrsanschauung ist entscheidend
Grundsätzlich gilt eine Kündigung als zugegangen, wenn sie in die Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und der unter normalen Umständen von dem Kündigungsschreiben Kenntnis nehmen konnte. Das Bundesarbeitsgericht geht regelmäßig davon aus, dass bei Einwurf in einen Briefkasten der Zugang erfolgt, wenn „nach der Verkehrsanschauung“ mit der nächsten Leerung zu rechnen ist. Ab diesem Moment läuft die dreiwöchige Frist für die Kündigungsschutzklage.
Fall vor dem BAG: eine eigentlich „normale“ Kündigungsschutzklage
Mit Schreiben vom 27. Januar, einem Freitag, kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos. Die Kündigung warfen Mitarbeiter des Arbeitgebers an eben diesem Freitag gegen 13:25 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat seinen Wohnsitz im französischen Elsass. Hier erfolgt die Postzustellung bis ca. 11 Uhr.
Am 20. Februar erhob der Arbeitnehmer Klage gegen die Kündigung. Er machte geltend, er habe die Kündigung erst am 30. Januar in seinem Briefkasten gefunden. Frühestens sei sie ihm aber am 28. Januar, einem Samstag, zugegangen. Am Freitag, den 27. Januar, sei nicht mehr mit einer Kenntnisnahme zu rechnen gewesen, da die Postzustellung um 13:25 Uhr „längst durch war“.
Die Klagefrist hätte der Arbeitnehmer nur bei Zugang der Kündigung frühestens am 28. Januar eingehalten. Nicht aber, wenn die Kündigung ihm am 27. Januar bereits zugegangen ist.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ging davon aus, dass die Kündigung am 27. Januar zugegangen sei und der Arbeitnehmer daher die Klagefrist nicht eingehalten habe. Überhaupt sei davon auszugehen, dass Schreiben, die bis 17 Uhr eines Tages in den Briefkasten geworfen werden, noch am selben Tag zugehen.
Wie hat das BAG über die Kündigung entschieden?
Dieser Betrachtungsweise widerspricht das Bundesarbeitsgericht in diesem Urteil. Es verweist auf seine ständige Rechtsprechung, nach der für den Zugang – bzw. konkret den Zeitpunkt der möglichen Kenntnisnahme – auf die „gewöhnlichen Verhältnisse“ und die „Gepflogenheiten des Verkehrs“ abzustellen sei. Individuelle Verhältnisse des Empfängers hätten zwar außer Betracht zu bleiben, bei den örtlichen Postzustellzeiten handele es sich aber gerade nicht um solche. Vielmehr hätten die Zeiten der Postzustellung durchaus Einfluss darauf, wann nach der Verkehrsauffassung mit der Leerung eines Briefkastens zu rechnen sei.
Nach Ansicht des BAG hat es sich das LAG ein bisschen zu einfach gemacht, indem es schlicht auf die Gewohnheiten der in Vollzeit arbeitenden deutschen Bevölkerung abgestellt habe. Das BAG hat daher die Sache zur weiteren Aufklärung der „Gepflogenheiten am Ort der Zustellung“ an das LAG zurückverwiesen.
Was bedeutet das für die Praxis?
Immer wieder kommt es vor Gericht zu Streit, wann eine Kündigung zugegangen ist und wann damit die dreiwöchige Klagefrist zu laufen beginnt. Arbeitnehmer tun deshalb grundsätzlich gut daran, rechtzeitig zum Anwalt zu gehen, und eine Kündigung prüfen zu lassen. Denn nur dann ist es nicht notwendig, die Klagefrist bis zum letzten Tag auszureizen, was mit Unsicherheiten verbunden sein kann.
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