Benachteiligungsverbot für Betriebsräte: Beweislast beim Betriebsratsmitglied

Betriebsratsmitglieder werden – je nach Funktion – teilweise von ihrer eigentlichen Arbeitsverpflichtung freigestellt, um ihre Aufgaben im Betriebsrat optimal erfüllen zu können. Das kann z.B. Betriebsratsvorsitzende betreffen. Weil diese Mitarbeiter*innen wegen ihrer Freistellung keine weitere Berufserfahrung sammeln können, kann das dazu führen, dass sie bei Beförderungen wegen „mangelnder praktischer Erfahrung“ übergangen werden. Das kann grundsätzlich eine nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verbotene Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern sein. Aber wer muss Beweis dafür antreten, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handelt? Die Frage hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) beantwortet (BAG, Urteil v. 20.01.2021, Az.: 7 AZR 52/20). Bei interner Bewerbung benachteiligt? Im Fall, der letztlich vor dem BAG endete, klagte ein Mann, der als Betriebsratsvorsitzender in einem Krankenhaus tätig ist und für seine Betriebsratstätigkeit von seiner eigentlichen arbeitsvertraglichen Aufgabe freigestellt war. Bevor er für sein Amt freigestellt wurde, hatte er als Pflegedienstleiter und Stationsleiter für seinen Arbeitgeber gearbeitet. Zum (gerichtlichen) Streit kam es über einen Anspruch auf Vergütung als Pflegedirektor. Der Mitarbeiter hatte sich intern auf diese Stelle beworben. Nicht er war aber für die Stelle ausgewählt worden, sondern eine Stationsleiterin. In Notizen des Arbeitgebers zu den Vorstellungsgesprächen mit beiden Bewerbern fanden sich folgende Bemerkungen: Zum späteren Kläger „keine aktuelle Pflegeerfahrung aktiv“ – zur Mitbewerberin: „Erfahrung in der direkten Pflege und Stationsleitung sehr ausgeprägt“. Dennoch war die Vermutung des Betriebsratsvorsitzenden, er sei nicht befördert worden, weil er Betriebsrat sei. Deswegen erhob er Klage und stützte sie auf § 78 Satz 2 BetrVG. Er sei insofern als Betriebsratsmitglied benachteiligt worden, weil der Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Beförderung nur darauf abgestellt habe, dass ihm die aktuelle Pflegeerfahrung fehle. Das sei zwar korrekt. Der Grund dafür sei aber, dass er wegen der Freistellung von seiner eigentlichen Arbeitstätigkeit schlichtweg keine aktuelle praktische Erfahrung sammeln könne. Ohne die Freistellung für seine Betriebsratstätigkeit hätte er die Erfahrungen in der aktiven Pflege sammeln können, die ausschlaggebend für eine erfolgreiche Bewerbung hätten sein können. Eine Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG sah der Arbeitgeber allerdings nicht. Außerdem könne der Mitarbeiter nicht substantiiert vortragen, dass seine Bewerbung als Pflegedirektor ohne Betriebsratstätigkeit jedenfalls erfolgreich gewesen wäre. Gerichte entscheiden letztlich für Arbeitgeber Vor dem Arbeitsgericht (ArbG) scheiterte der Betriebsratsvorsitzende, vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) bekam er Recht. Hier waren die Richter der Auffassung, der Kläger habe ausreichend dargelegt, dass seine Beförderung „möglich und wahrscheinlich“ gewesen wäre, wenn er nicht Betriebsrat gewesen wäre. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Revision zum BAG ein und das letztlich mit Erfolg. Zwar sei die Situation in diesem Fall grundsätzlich geeignet, eine verbotene Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG zu sein: Lehnt der Arbeitgeber eine Beförderung ab, weil dem Betriebsratsmitglied Berufserfahrung fehlt – fehlt diese aber nur wegen einer Freistellung aufgrund der Tätigkeit als Betriebsrat –, ist das eine Benachteiligung. Das muss der Betroffene allerdings substantiiert darlegen. Es würde nicht ausreichen, wenn der Betroffene vorträgt, dass die Beförderung ohne das Betriebsratsamt „möglich und wahrscheinlich“ gewesen wäre. Vielmehr müsse nachvollziehbar werden, dass es zur Beförderung ohne das Betriebsratsamt und seine Auswirkungen tatsächlich gekommen wäre. Damit Betroffene diesen Vortrag entsprechend machen können, muss der Arbeitgeber sich auf Nachfrage dazu wahrheitsgemäß erklären. Der Arbeitgeber muss die Gründe für die Entscheidung über die Beförderung so konkret benennen, dass der Betroffene sich dazu qualifiziert äußern kann. Nur so kann das Gericht auf Grundlage der festgestellten Tatsachen beurteilen, ob das Betriebsratsmitglied ohne die Betriebsratstätigkeit befördert worden wäre und wegen der Betriebsratstätigkeit nicht befördert wurde. Die theoretische Chance einer Beförderung reiche – wie hier – nicht aus, um davon auszugehen, dass der Kläger wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt wurde. Benachteiligung des Betriebsrats darzulegen Dieses Urteil macht deutlich: Wer sich auf eine Benachteiligung im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG berufen will, muss im Falle einer möglichen Übergehung bei einer Beförderung sehr konkret vortragen können, dass die Betriebsratstätigkeit der Grund dafür war. Andernfalls scheitert eine Klage auf Basis von § 78 Satz 2 BetrVG. Sie befürchten, dass Sie als Betriebsratsmitglied bei einer Beförderung benachteiligt wurden? Ich prüfe das als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht gerne für Sie! Kontaktieren Sie mich in Augsburg telefonisch unter 0821 / 50 85 26 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.  weiterlesen

Arbeitsrecht: Abwehr der Zwangsvollstreckung bei Unterlassungsverpflichtung

Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Thema Zwangsvollstreckung ist in der arbeitsrechtlichen Praxis eher selten. Doch was ist, wenn der Arbeitgeber eine Unterlassungsverpflichtung wegen neuer Vereinbarungen mit dem Betriebsrat als gegenstandslos betrachtet? Kann der Arbeitgeber die Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung abwehren? Darüber entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (LAG Köln, Beschluss v. 11.9.2020, Az.: 9 TaBV 24/20). Unterlassungsverpflichtung gegen den Arbeitgeber & Zwangsvollstreckung Beteiligt der Arbeitgeber den Betriebsrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nicht, kann der Betriebsrat verlangen, das zu unterlassen. Eine gerichtliche Unterlassungsverpflichtung reicht im Regelfall, um den Arbeitgeber zu „motivieren“, den Betriebsrat zukünftig ordnungsgemäß zu beteiligen. Hält sich der Arbeitgeber dennoch nicht an seine Beteiligungspflicht, kann der Betriebsrat die Zwangsvollstreckung der Unterlassungsverpflichtung betreiben. Mittel dafür sind z.B. Zwangsgelder, die gegen den Arbeitgeber verhängt werden. Arbeitgeber: Gegenwehr gegen Zwangsvollstreckung aus Unterlassungstitel? Der Arbeitgeber kann beim Arbeitsgericht einen Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) stellen. Gibt das Gericht dem Antrag statt, wird die Vollstreckbarkeit des Unterlassungstitels aufgehoben und die Zwangsvollstreckung unmöglich – auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Um eine Vollstreckungsabwehr beantragen zu können, muss der Arbeitgeber Einwendungen geltend machen. Diese Einwendungen müssen den Unterlassungsanspruch betreffen und dürfen erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sein. Als Einwendungen kommen deswegen alle neuen Tatsachen in Betracht, die den Sachverhalt, der zu der früheren Entscheidung führte, maßgeblich verändern. Unterlassungstitel wegen fehlender Betriebsratsbeteiligung bei Parkplatzvergabe Im Fall vor dem LAG ging es um eine unterlassene Betriebsratsbeteiligung bei der Vergabe von Parkberechtigungen für abgesonderte Parkplätze im Sicherheitsbereich eines Flughafens. Der Arbeitgeber (Betreiber des Flughafens) legte den Personenkreis, der eine Parkberechtigung bekommen sollte, ohne Beteiligung des Betriebsrats fest. Das verletzte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Danach hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und in Fragen des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Weil bei der Parkplatzvergabe der Betriebsrat nicht beteiligt wurde, erwirkte der Betriebsrat beim LAG Köln einen Unterlassungstitel gegen den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber erhob hingegen Vollstreckungsabwehrklage beim Arbeitsgericht (ArbG) Köln gegen die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel. Man habe mit dem Betriebsrat nach der Entscheidung des LAG Köln eine Regelung getroffen. Inhalt der Regelung sei, dass die ursprüngliche, einseitig festgelegte Handhabe bei der Vergabe der Parkplätze so beibehalten werden darf. Als Gegenleistung habe man bestimmte Leistungen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zugesagt. Durch diese nachträgliche Vereinbarung habe sich der Unterlassungsanspruch erledigt. Das sah der Betriebsrat anders: eine Regelungsabrede könne die Vollstreckbarkeit des Unterlassungstitels des LAG Köln nicht beseitigen. Allerdings würde die beschriebene Regelungsabrede auch nicht existieren: man habe nicht auf das Mitbestimmungsrecht verzichtet, sondern nur zugesagt, die bisherige Zuordnung von Parkplätzen zu dulden. LAG-Entscheidung: Vollstreckungsabwehrklage nur bei erheblichen Einwendungen Das ArbG Köln wies die Vollstreckungsabwehrklage ab, das LAG Köln bestätigte diese Entscheidung – so bekam der Betriebsrat letztlich Recht. Der Arbeitgeber konnte keine erheblichen Einwendungen vortragen, so die Gerichte. Denn erheblich sind nur Einwendungen, die den titulierten Anspruch betreffen. Nach Auffassung der Gerichte wurde allerdings der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht durch eine Regelungsabrede beseitigt. Die Vereinbarung einer wirksamen Regelungsabrede setzt voraus, dass ein entsprechender Betriebsratsbeschluss vorliegt, der eine Zustimmung zu der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme beinhaltet und der dem Arbeitgeber mitgeteilt wird. Ein solcher Betriebsratsbeschluss existierte aber im Streitfall nicht. Die bloße Duldung eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens reicht nicht, um eine Regelungsrede anzunehmen. Fazit: Abwehr der Zwangsvollstreckung bei Unterlassungsverpflichtung nicht unmöglich! Der Fall des LAG Köln verdeutlicht, welche Voraussetzungen bei der Vollstreckungsabwehrklage des Arbeitgebers vorliegen müssen. Nur wenn tatsächlich Einwendungen vorliegen, die sich unmittelbar auf den ursprünglichen Unterlassungsanspruch beziehen, kann eine Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich sein. Im Falle von „Absprachen“ zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann es dann maßgeblich sein, ob bei Abreden auch die formellen Voraussetzungen (z.B. an eine Regelungsabrede) eingehalten wurden, damit „erhebliche Einwendungen“ überhaupt vorliegen. Sie haben Fragen zum Thema Unterlassungsanspruch, Zwangsvollstreckung etc. im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne. Kontaktieren Sie mich direkt telefonisch, in Augsburg unter oder per E-Mail an .weiterlesen

Betriebsratsschulung: Kostenübernahme durch Arbeitgeber

Betriebsratsschulungen sind sinnvoll, damit Betriebsräte sich mit Rechten und Pflichten ihrer Tätigkeit vertraut machen und ihr Amt gut ausüben können. Denn nicht jedes gewählte Betriebsratsmitglied ist mit den Regelungen des Betriebsverfassungsrechts vertraut. Aber wer bezahlt eine Betriebsratsschulung? Damit hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen befasst und kommt zu dem Ergebnis: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Kosten für Betriebsratsschulungen zu tragen. Das gilt selbst dann, wenn das Betriebsratsmitglied keine Zustimmung zur Teilnahme an der Schulung vom Arbeitgeber hatte und teure Seminargeschenke erhält (LAG Hessen, Beschluss v. 10.8.2020, Az.: 16 TaBV 177/19). Grundsatz: Arbeitgeber zahlt Betriebsratsschulung und Fortbildungskurse Betriebsräte dürfen nach § 37 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilnehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Kurse Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Der Arbeitgeber muss das Betriebsratsmitglied entsprechend freistellen nach § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG und gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG alle Kosten tragen, die dem Betriebsratsmitglied durch die Betriebsratstätigkeit entstehen. Der Arbeitgeber muss somit auch alle Kosten für relevante Fortbildungen tragen. Betriebsratsschulung ohne Arbeitgebererlaubnis mit wertvollen Seminargeschenken Im Fall vor dem LAG Hessen stritten sich Arbeitgeber und ein Betriebsrat u.a. um die Erstattung von Kosten für eine Betriebsratsschulung. Es ging um ein 4-tägiges Grundlagenseminar im Betriebsverfassungsrecht. Bei diesem Seminar erhielt jeder Teilnehmer ein Tablet, einen BetrVG-Kommentar, eine Textsammlung der Arbeitsgesetze, einen USB-Stick, einen Laserpointer, einen Taschenrechner und eine Tasche geschenkt. Eine Buchung der Teilnahme ohne Seminarbeigaben war nicht möglich. Die Seminargebühr betrug 831,81 EUR zzgl. Tagespauschale für Parkgebühren in Höhe von 233,98 EUR und Fahrtkosten in Höhe von 167,40 EUR. Der Betriebsrat beschloss, dass das neue Betriebsratsmitglied B an diesem Seminar teilnehmen sollte. Der Arbeitgeber lehnte die Teilnahme von B ab. B besuchte dennoch die 4-tägige Schulung. Als der Betriebsrat die Übernahme der Kosten für die Schulung von B verlangte, lehnte der Arbeitgeber die Übernahme der Kosten ab. Der Grund: die Seminargeschenke mit einem geschätzten Wert von 440,00 EUR. Die Schulungskosten seien wegen der Geschenke nicht angemessen gewesen, außerdem habe man keine Zustimmung zu dem überteuerten Seminar gegeben. Der Betriebsrat erhob daraufhin Klage auf Übernahme der Seminarkosten und bekam Recht. Kostenübernahme unabhängig von Erlaubnis oder Seminargeschenken Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber die Kosten für die Betriebsratsschulung tragen muss. Entscheidend sei allein, ob es sich um erforderliche Kosten handle. Das sei der Fall, wenn die Schulungsveranstaltung erforderlich war, das Betriebsratsmitglied die auf dem Seminar vermittelten Inhalte benötigt, um sein Amt ausüben zu können. Bei einem erstmals gewählten Betriebsratsmitglied ist nach Auffassung des LAG dabei die Schulungsbedürftigkeit im Übrigen nicht näher darzulegen. Das gelte jedenfalls dann, wenn es sich um ein Grundlagenseminar zum Betriebsverfassungsrecht handle. Die Kosten seien auch nicht unangemessen hoch. Der Preis für die Teilnahme war nach Ansicht des Gerichts im Vergleich zu den marktüblichen Seminarpreisen einer entsprechenden Grundlagenschulung moderat. Außerdem war nicht feststellbar, dass die Seminarbeigaben den Seminarpreis verteuerten – eine Buchung ohne war nicht möglich. Daher entschied das Gericht, dass allein der Umstand, dass die Schulungsteilnehmer wertvolle Seminargeschenke bekommen, den Arbeitnehmer nicht aus seiner Pflicht entlässt, die Kosten für die Schulung zu tragen. Schulungskosten beim Arbeitgeber zurückfordern Der Fall des LAG ist ein Paradebeispiel für eine typische Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aus der Praxis. Denn Arbeitgeber wehren sich nicht selten, Kosten für die Fortbildung bzw. Schulung von Betriebsräten zu tragen. Für Betriebsräte lohnt sich hier der Gang zum Arbeitsgericht, denn ein Großteil der Betriebsratsschulungen sind solche, die der Arbeitgeber bezahlen muss. Ihr Arbeitgeber weigert sich, die Betriebsratsschulung zu bezahlen? Oder bekommen Sie als Betriebsrat keine Erlaubnis zur Teilnahme an einer Fortbildung für Betriebsräte? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht  prüfe ich Ihren Anspruch auf Übernahme der Kosten und helfe Ihnen bei Bedarf auch, die Kostenerstattung vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch in Augsburg unter oder per E-Mail an .weiterlesen

Anfechtung Betriebsratswahl: zu viele Bewerber auf dem Stimmzettel

Betriebsratswahlen sorgen immer wieder für rechtliche Turbulenzen. Zu rechtlichen Meinungsverschiedenheiten kann es dabei schon im Zusammenhang mit dem Wahlzettel zur Betriebsratswahl kommen. So in einem Fall, in dem der Wahlvorstand sämtliche Wahlbewerber der Vorschlagsliste auf dem Stimmzettel angab – insgesamt 96 Personen. Ein Verstoß gegen eine zwingende Wahlvorschrift, der zur Anfechtung der Betriebsratswahl führen kann – auch durch den Wahlvorstand selbst. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 16.09.2020, Az.: 7 ABR 30/19). Anfechtung der Betriebsratswahl § 19 BetrVG Nach § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist eine Betriebsratswahl anfechtbar, wenn bei der Wahl Wahlvorschriften verletzt wurden und das Einfluss auf das Wahlergebnis hatte. In einem solchen Fall kann das Arbeitsgericht nach einer Anfechtung der Betriebsratswahl die Wahl für ungültig erklären. Anfechtungsberechtigt ist jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer. 96 Bewerber auf den Stimmzetteln Bei der streitigen Betriebsratswahl ließ der Wahlvorstand drei Vorschlagslisten zu. Die späteren Stimmzettel führten alle 96 Bewerber namentlich auf. Die Arbeitnehmer wählten u.a. drei Mitglieder des Wahlvorstands (A, B und C) zu Betriebsratsmitgliedern. Exakt diese Mitglieder des Wahlvorstandes und nun Betriebsratsmitglieder erklärten nach ihrer Wahl die Anfechtung eben dieser Betriebsratswahl. Der Wahlvorstand habe gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO) verstoßen: man habe auf den Stimmzetteln alle Bewerber angegeben, nicht nur jeweils zwei pro Vorschlagsliste. Außerdem habe der Arbeitgeber die Wahl beeinflusst, indem er zwei Listen durch die Verteilung von Werbematerial und Schokoriegeln unterstützte. Anderer Auffassung war der Arbeitgeber: Einerseits seien A, B und C als ehemalige Mitglieder des Wahlvorstandes nicht anfechtungsberechtigt. C sei außerdem aus dem Betrieb ausgeschieden. Nicht zuletzt sah der Arbeitgeber keinen Anfechtungsgrund – und falls einer existieren würde, hätte sich ein Verstoß nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Denn eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber hätte nicht stattgefunden. Wahlvorstand und Ex-Arbeitnehmer sind anfechtungsberechtigt Recht bekamen vor dem BAG letztlich jedoch die Betriebsratsmitglieder. Zunächst stellte das BAG fest, dass A, B und C als Mitglieder des Wahlvorstands und auch Ex-Arbeitnehmer durchaus wahlanfechtungsberechtigt sind. Wahlvorstandsmitglieder können sich sogar auf selbst verursachte Verstöße berufen, wenn sie die Anfechtung nicht ausschließlich darauf stützen. So war es hier der Fall: Die Anfechtung wurde auch auf die Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber gestützt. Außerdem stellt das BAG fest: auch ein Ex-Arbeitnehmer darf die Betriebsratswahl anfechten, wenn dieser Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der angefochtenen Wahl wahlberechtigt war. Das Ausscheiden aus dem Betrieb nimmt dem Arbeitnehmer nicht die Anfechtungsbefugnis. Etwas anderes gilt nur, wenn sämtliche Arbeitnehmer, die die Betriebsratswahl anfechten, inzwischen nicht mehr im Betrieb arbeiten. Vorschriften zur Stimmzettelgestaltung Betriebsratswahl zwingend Die Richter des BAG hielten die Anfechtung außerdem auch für begründet. Die fehlerhafte Gestaltung der Stimmzettel sei ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WO. Bei der Vorschrift handle es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, die nicht nur eine Mindestzahl anzugebender Bewerber definiere. Die Vorschrift bestimme auch zwingend, dass die beiden Bewerber, die auf der Vorschlagsliste an erster Stelle nach der Reihenfolge der Ordnungsnummern benannt sind, auf den Stimmzetteln untereinander anzugeben sind. Nicht zuletzt gingen die Richter auch davon aus, dass die Wahlentscheidung durch die Angabe sämtlicher Bewerber auf dem Stimmzettel durchaus beeinflusst wurde – etwa indem die Wahlentscheidung zugunsten einer der Listen mit der größten Zahl von Wahlbewerbern getroffen wurde. Da die Wahl also unter Verletzung von wesentlichen Wahlvorschriften erfolgt war, war die Anfechtung der Betriebsratswahl letztlich erfolgreich und die Wahl musste wiederholt werden. Auch Wahlvorstand kann Betriebsratswahl wegen Formfehlern anfechten Die Entscheidung zeigt, dass eine Betriebsratswahl selbst bei Formfehlern schnell anfechtbar und damit unwirksam ist. In einem solchen Fall kann sogar der Wahlvorstand die Wahl wegen eigener Fehler anfechten. Und nicht zuletzt dürfte es oft schwerfallen, die Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Formfehler ausschließen zu können. Sie haben Zweifel an der rechtmäßigen Durchführung der Betriebsratswahl bei Ihrem Arbeitgeber? Sie wollen eine Betriebsratswahl anfechten? Oder sind Sie im Wahlvorstand und wollen wissen, wie Sie die Wahl korrekt vorbereiten und durchführen? Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch in Augsburg unter oder per E-Mail an . Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne.weiterlesen

Fehlerhafte Einberufung Betriebsratssitzung: Betriebsratsbeschluss unwirksam!

Der Betriebsratsvorsitzende ist krank und der Stellvertreter ist nicht erreichbar. Kann in diesem Fall ein anderes Betriebsratsmitglied die Betriebsratssitzung einberufen? Und sind Beschlüsse, die die Betriebsratsversammlung nach einer Einberufung durch ein „normales“ Betriebsratsmitglied fasst, wirksam? Nein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss v. 28.07.2020, Az.: 1 ABR 5/19). Denn Betriebsratsversammlungen sind nach § 29 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom Vorsitzenden des Betriebsrats oder dessen Stellvertreter einzuberufen. Der Fall: Einberufung ohne Betriebsratsvorsitzenden bzw. Stellvertreter Im Fall vor dem BAG ging es um die Frage, ob das Arbeitgeberunternehmen verpflichtet war, im Zusammenhang mit einer Umgruppierung von Arbeitnehmern nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein sog. Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, um die Umgruppierung wirksam vornehmen zu können. Das Arbeitgeberunternehmen hatte die Zustimmung des Betriebsrats zu einer solchen Maßnahme beantragt, der Betriebsrat hatte jedoch seine Zustimmung verweigert. Nach Auffassung des Arbeitgebers existierte diese Zustimmungsverweigerung jedoch nicht, da der zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss unwirksam war. Unstreitig war, dass der Betriebsratsvorsitzende zur Zeit der Einberufung arbeitsunfähig krank und nach § 38 Abs. 1 BetrVG von seiner Arbeitspflicht freigestellt war. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende war im Urlaub. Deshalb lud ein „normales“ Betriebsratsmitglied in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden alle Betriebsratsmitglieder zu der Betriebsratssitzung ein, in der über die Zustimmung zur Umgruppierung entschieden werden sollte. Für die Einladungen verwendete es den passwortgeschützten E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden, unterzeichnete die E-Mail allerdings mit seinem eigenen Namen. In der entscheidenden Betriebsratssitzung beschlossen die Betriebsratsmitglieder einstimmig, die Zustimmung zu der Umgruppierung zu verweigern. Der Arbeitgeber führte die Umgruppierung ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats und ohne Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens durch: man war der Auffassung, dass der Betriebsratsbeschluss über die Zustimmungsverweigerung unwirksam war. Der Betriebsrat habe damit die Zustimmung gem. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht fristgerecht verweigert. Die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens sei deshalb nicht notwendig gewesen. Da Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht darüber einig waren, ob die Umgruppierung wie geschehen hätte stattfinden dürfen bzw. ob sie wirksam war, musste letztlich das BAG entscheiden, ob der Arbeitgeber die Umgruppierung trotzt der ausgesprochenen Zustimmungsverweigerung vornehmen durfte. Fehlerhafte Ladung: Betriebsratsbeschluss über Zustimmungsverweigerung unwirksam Das BAG entschied, dass die Voraussetzungen für die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht vorlagen. Der Betriebsrat habe die Zustimmung nicht wirksam verweigert. Damit war der Arbeitgeber nicht zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet. Der Arbeitgeber konnte die Umgruppierung deshalb auch ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats wirksam durchführen. Der Betriebsrat habe die Zustimmungsverweigerung zur Umgruppierung zwar beschlossen und mitgeteilt. Der zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss war jedoch wegen fehlerhafter Einberufung der Betriebsratsmitglieder unwirksam – damit auch die Zustimmungsverweigerung. Da weder der Betriebsratsvorsitzende noch dessen Stellvertreter die Versammlung einberufen hatten, hätte ein Ladungsfehler vorgelegen. Eine wirksame Ladung ist allerdings nach § 29 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Voraussetzung für eine wirksame Einberufung der Betriebsratsversammlung und damit für wirksame Beschlüsse des Betriebsrates. Selbst die Tatsache, dass die Einladungen über den E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden in seiner Anwesenheit verschickt wurden, ändert daran nichts. Denn der Betriebsratsvorsitzende war arbeitsunfähig erkrankt und von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt. Das führt dazu, dass ein gem. § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied – wie hier der Betriebsratsvorsitzende – an der Wahrnehmung seines Amts verhindert ist. Damit führt die fehlerhafte Ladung zur Unwirksamkeit aller Beschlüsse, die in der Betriebsratsversammlung gefasst wurden, zu der fehlerhaft geladen wurde. Fazit: Betriebsräte sollten Ladungsfehler nicht unterschätzen Der BAG-Fall zeigt, welche weitreichenden Konsequenzen eine fehlerhafte Einberufung der Betriebsratsversammlung haben kann: Verstöße gegen gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die formellen Anforderungen an die Ladung zur Betriebsratsversammlung machen den Betriebsratsbeschluss insgesamt unwirksam. Wichtig ist das vor allem für Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreter. Denn für eine wirksame Ladung und damit wirksame Beschlüsse sind sie unverzichtbar! Das wird vor allem im Falle einer krankheitsbedingten Verhinderung wichtig. Betriebsräte sind damit gut beraten, für den Fall einer vorübergehenden Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ggf. Vertretungsregelungen z.B. in der Geschäftsordnung des Betriebsrates zu treffen. Sie haben Fragen im Zusammenhang mit einer möglicherweise fehlerhaften Ladung zu einer Betriebsratsversammlung? Sie wollen sich über Vertretungsregelungen für Ihre Geschäftsordnung informieren? Sprechen Sie mich an! Sie erreichen mich in Augsburg telefonisch unter oder per E-Mail an . Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne.weiterlesen

Betriebsrat: Mitbestimmung bei Einteilung von Leiharbeitnehmern in Schichtarbeit?

Der Betriebsrat hat im Unternehmen im Hinblick auf einige Dinge, die die Arbeitnehmer eines Unternehmens betreffen, bestimmte Mitbestimmungsrechte. Das gilt jedenfalls für etliche Maßnahmen, die gegenüber den Arbeitnehmern des Arbeitgebers gelten. Doch was ist mit Aushilfskräften oder Leiharbeitnehmern? Inwieweit ist der Betriebsrat hier vom Arbeitgeber zu beteiligen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der Betriebsrat zwingend beteiligt werden muss, wenn der Arbeitgeber neu eingestellte Leiharbeitnehmer in einen vorhandenen Schichtplan einteilt. Der Arbeitgeber kann diese Einteilung auch nicht vorläufig durchführen (BAG, Beschluss vom 28.7.2020, Az.: 1 ABR 45/18). Mitbestimmungsrechte bei Einstellung von Leiharbeitern Die Einstellung von Leiharbeitnehmern zählt zu den personellen Einzelmaßnahmen. Arbeitgeber müssen deswegen bei der Einstellung von Leiharbeitern nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Zustimmung des Betriebsrates einholen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber die Einstellung nach § 100 BetrVG vorläufig vornehmen, wenn das aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Ist der Betriebsrat der Auffassung, dass keine dringenden sachlichen Gründe vorliegen, kann er gegen diese Maßnahme Unterlassungsklage erheben. Und auch bei der Einteilung einzelner Arbeitnehmer in Schichtarbeit hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht – auch in Bezug auf Leiharbeitnehmer. Der Betriebsrat hat jedoch auch ein sog. Zustimmungsverweigerungsrecht. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zu einer zustimmungsbedürftigen Maßnahme, muss der Arbeitgeber die Zustimmung ersetzen lassen (Zustimmungsersatzverfahren). Möglich ist diese Ersetzung durch einen Spruch der Einigungsstelle oder ein Urteil des Arbeitsgerichts. Wird die Zustimmung nicht ersetzt, ist die personelle Einzelmaßnahme nicht zulässig, der Arbeitgeber muss die Maßnahme unterlassen. Fall vor dem BAG: Einstellung von Leiharbeitnehmern für Schichtarbeit Arbeitgeber und Betriebsrat stritten sich um die vorübergehende Einstellung von Leiharbeitnehmern, die – wie die übrigen Arbeitnehmer auch – im Schichtbetrieb arbeiten sollten. Für die Schichtarbeit galt im Unternehmen die „Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten“ (BV ArbZ). Darin waren die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit der Schichtarbeiter und Schichtmodelle (Früh-, Tag-, Spät- und Nachtschicht) mit Schichtbeginn, Schichtende und die Lage der Pausen festgelegt. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur befristeten Einstellung von Leiharbeitnehmern im Schichtbetrieb. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin mit, sie werde die Einstellungen als personelle Maßnahmen vorläufig durchführen und stellte 47 Leiharbeitnehmer im Schichtbetrieb ein. Dagegen erhob der Betriebsrat Unterlassungsklage. Bei der Zuweisung der eingesetzten Leiharbeitnehmer zu den vereinbarten Schichten stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Das sah der Arbeitgeber anders: die Schichteinteilung von Leiharbeitnehmern sei nicht mitbestimmungspflichtig, da sie keinen neuen Schichtplan aufstelle. Im Übrigen seien bei einer Einstellung von Arbeitnehmern die Regelungen in §§ 99, 100 BetrVG gegenüber dem Mitbestimmungsrecht vorrangig. Vorläufige Einstellung in Schichtbetrieb nur mit Zustimmung vom Betriebsrat Das BAG gab dem Betriebsrat Recht. Die Zuordnung der Leiharbeitnehmer in die Schichten gemäß BV ArbZ unterfällt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, da es sich dabei um eine Festlegung der konkreten Lage und der Verteilung der Arbeitszeit handelt. § 100 BetrVG gilt insoweit nicht. Zwar gestatte diese Norm die vorläufige Durchführung einseitiger Maßnahmen. Sie gelte jedoch nur für die Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb und erfasse nicht die Einteilung der Arbeitnehmer in die im Betrieb geltenden Schichtzeiten. Diese Einteilung unterliege der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Folge: auch wenn der Arbeitgeber eine Einstellung vorläufig durchführen kann, muss er im Falle der Beschäftigung von Arbeitnehmern in festgelegten Schichten das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten. Fazit: Zustimmung zur Schichteinteilung einholen Das Recht des Arbeitgebers, (Leih-)Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Betriebsrats vorläufig einzustellen (§ 100 BetrVG), ist in der Praxis nicht durchsetzbar, wenn außerdem eine Zustimmung zum Einsatz der (Leih-)Arbeitnehmer im Schichtsystem nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erforderlich ist. Die Einstellung ist dann durch die fehlende Zustimmung zur Schichteinteilung schlichtweg „blockiert“. Arbeitgeber sollten daher zusammen mit dem Betriebsrat bereits vorab eine Vereinbarung ausarbeiten, in der der Betriebsrat seine Zustimmung zu bestimmten Schichtzuteilungen erteilt. Sie haben Fragen zur Beteiligungspflicht des Betriebsrates bei Leiharbeit? Sie wollen mit Ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung im Zusammenhang mit Schichtzuteilung ausarbeiten? Kontaktieren Sie mich gerne in Augsburg, telefonisch unter oder per E-Mail an . Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne!weiterlesen

Abbruch Betriebsratswahl durch Arbeitsgericht: geht das?

Bei einer Betriebsratswahl kann viel schiefgehen. Genau aus diesem Grund gibt es zahlreiche Möglichkeiten, eine solche Wahl anzugreifen. Doch was ist, wenn Arbeitnehmer bereits während des Wahlverlaufs einen Abbruch der Wahl fordern? Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hatte über einen solchen Fall zu entscheiden (LAG Hessen, Beschluss vom 14.09.2020, Az.: 16 TaBVGa 127/20). Eine interessante Entscheidung! Denn eine gesetzliche Grundlage, die Betriebsratswahl abzubrechen, gibt es nicht. Betriebsratswahl: Wahlabbruch gesetzlich nicht vorgesehen Auch wenn eine gesetzliche Grundlage für den Abbruch einer Betriebsratswahl fehlt: laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann ein Anspruch auf Wahlabbruch ausnahmsweise bestehen, wenn zu erwarten ist, dass die Betriebsratswahl nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit nach § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) reicht nicht. Der wesentliche Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit: eine nichtige Betriebsratswahl gilt als nie erfolgt, der so gewählte Betriebsrat als nicht existent. Beschlüsse eines so „gewählten“ Betriebsrats sind auch rückwirkend unwirksam. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Nichtigkeit sind deshalb sehr eng. Laut BAG ist eine Betriebsratswahl nur bei groben und offensichtlichen Wahlrechtsverstößen nichtig – sie muss quasi „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Anders bei der Anfechtungsklage nach § 19 BetrVG. Hier wird die Wahl „nur“ für unwirksam erklärt. Der Betriebsrat ist erst nach Rechtskraft der Entscheidung seines Amtes enthoben. Bis dahin gefasste Beschlüsse bleiben bestehen. Der Fall: Betriebsratswahl bei Teilbetrieb und doppelte Wahlvorstandsbestellung Vor dem LAG Hessen ging es um eine Betriebsratswahl, die für zwei von drei Teilbetrieben (A, B, C) eines Gemeinschaftsbetriebes (G) durchgeführt wurde. Der Gemeinschaftsbetrieb gehört zum Konzernbetrieb (K), der über einen Konzernbetriebsrat verfügt. Nach spezieller Vereinbarung sollte für den Betrieb A ein eigenständiger, für die Betriebe B und C ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden. Dazu wurden zwei Betriebsratswahlen durchgeführt, die später angefochten wurden. Die Betriebsratswahl für die Teilbetriebe B und C wurde für unwirksam erklärt. In der Folge wurde neu gewählt. Den Wahlvorstand dafür setzte der in der ersten Wahl unwirksam gewählte Betriebsrat ein. Der Konzernbetriebsrat hielt das für unwirksam und setzte ebenfalls den Wahlvorstand aus den gleichen Personen für die neue Betriebsratswahl ein. Die Arbeitnehmer des Teilbetriebs B beantragten daraufhin den Abbruch der Betriebsratswahl beim Landesarbeitsgericht Hessen: Der Betriebsbegriff sei verkannt. Es stehe schon gar nicht fest, ob überhaupt ein Gemeinschaftsbetrieb vorliege und separate Betriebsratswahlen zulässig sind. Der Wahlvorstand sei außerdem nicht wirksam bestellt. Kein Abbruch bei Verkennung Betriebsbegriff bzw. fehlerhafter Bestellung Wahlvorstand Das LAG Hessen lehnte den Antrag ab. Ein Abbruch der Betriebsratswahl komme nicht in Betracht, da die vorgetragenen Abbruchgründe die Wahl nicht nichtig machen würden. Die Frage, ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt, für den ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist (Frage nach der Verkennung des Betriebsbegriffs), führt zur Anfechtbarkeit der Wahl, nicht zu ihrer Nichtigkeit. Etwas anderes gilt laut BAG nur, wenn eine Betriebsratswahl entgegen einer bindenden Gerichtsentscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchgeführt wird, in der über die Frage entschieden wurde, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt. Verneint das Gericht das und wird dennoch eine einheitliche Betriebsratswahl durchgeführt, ist die Wahl anfechtbar, aber nicht offensichtlich nichtig. Ein Abbruch kommt dann nicht in Betracht. Auch die fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstands rechtfertigt keinen Abbruch der Betriebsratswahl. Nur wenn der Fehler so schwer wiegt, dass nicht einmal der Anschein besteht, dass ein ordnungsgemäß bestellter Wahlvorstand existiert, ist ein Abbruch denkbar. Das sei in diesem Fall nicht der Fall. Zwar sei die Bestellung des Wahlvorstands fehlerhaft gewesen, da weder der unwirksam gewählte Betriebsrat noch der Konzernbetriebsrat zuständig waren. Dieser Fehler ist aber nicht so offensichtlich, dass deshalb eine Nichtigkeit der Betriebsratswahl droht. Ein Abbruch der Wahl wegen offensichtlicher Nichtigkeit war aus Sicht der Richter auch deswegen nicht möglich. Fazit: Strenge Voraussetzungen für Wahlabbruch Das LAG folgt mit seiner Entscheidung der Linie des BAG: nichtig ist eine Betriebsratswahl nur in Ausnahmefällen und damit ist auch ein Abbruch nur in Ausnahmefällen möglich. Meist wird also eine Anfechtung des Ergebnisses der rechtlich richtige Weg sein. Sie halten die Betriebsratswahl für unwirksam oder sogar nichtig? Sprechen Sie mich an, in Augsburg telefonisch unter oder per E-Mail an . Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne!weiterlesen