Wer als Arbeitnehmer schon lange in einem Unternehmen arbeitet und Kündigungsschutz genießt, fühlt sich oft „unkündbar“. Doch sollte man sich auch nach vielen Jahren beim gleichen Arbeitgeber nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn ein schwerwiegendes Fehlverhalten kann auch nach vielen Jahren in einem Arbeitsverhältnis zu einer fristlosen Kündigung führen, wenn es noch nie zuvor zur Beanstandung eines Fehlverhaltens kam. So kann die sexuelle Belästigung einer Kollegin auch für einen langjährigen, bis dato vorbildlichen Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung zur Folge haben. So urteilte im Sommer 2020 das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln, Urteil v. 19.06.2020, Az.: 4 Sa 644/19.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Fristlose Kündigung?
Das LAG Köln urteilte in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer fristlos gekündigt worden war, nachdem er 16 Jahre in ein und demselben Unternehmen gearbeitet hatte. Während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung hatte er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen – bis er während der Arbeit einer Kollegin zwischen die Beine fasste und unmittelbar darauf auch sich selbst. Dem folgte die Aussage in Richtung der Kollegin, dass sich nun bei ihm im Schritt „etwas tue“.
Drei Monate später berichtete die betroffene Mitarbeiterin dem gemeinsamen Arbeitgeber von diesem Vorkommnis. Der Arbeitgeber gab dem Mitarbeiter in der Folge Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, kündigte aber, obwohl der Mitarbeiter den Vorfall abgestritten hatte.
Das wollte der Arbeitnehmer nicht auf sich sitzen lassen und erhob Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung vor dem Arbeitsgericht Siegburg. Dort bekam er allerdings nicht Recht. Deshalb wandte er sich mit einer Berufung an das LAG Köln. Seine Auffassung: Die fristlose Kündigung sei unwirksam, das Arbeitsverhältnis würde unverändert fortbestehen.
Berufung vor dem LAG erfolglos – fristlose Kündigung wirksam
Allerdings war das LAG Köln der gleichen Auffassung wie das Arbeitsgericht in Siegburg: Die fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung einer Kollegin war wirksam.
Grundsätzlich muss nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegen. Die sexuelle Belästigung einer Kollegin – wie im vorliegenden Fall – ist nach Auffassung des Gerichts ein ausreichend wichtiger Grund. Außerdem sei dem Arbeitgeber in dieser Konstellation nicht zuzumuten gewesen, die Kündigungsfrist von 6 Monaten abzuwarten: Einerseits habe sich der Mitarbeiter eine schwerwiegende Pflichtverletzung zu Schulden kommen lassen. Wegen seines sexuellen Übergriffes war zwischenzeitlich immerhin ein Strafbefehl über 60 Tagessätze erlassen worden. Dem Arbeitnehmer habe andererseits klar sein müssen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulden wird. Und nicht zuletzt sei der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet, Mitarbeiter*innen vor sexuellen Belästigungen / Übergriffen zu schützen.
Insofern überwog nach Auffassung des Gerichts das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an dem Abwarten der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung.
Auswirkungen des Urteils in der Praxis
Auch wer sehr lange bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist und das ohne eine einzige Beanstandung eines Fehlverhaltens, ist nicht vor einer fristlosen Kündigung sicher: Wer sich nach Jahren tadellosen Verhaltens im Arbeitsverhältnis ein schwerwiegendes Fehlverhalten zu Schulden kommen lässt, riskiert auch nach mehr als 15 Jahren eine wirksame fristlose Kündigung. Vor allem sexuelle Belästigungen oder Übergriffe können ohne Vorwarnung eine fristlose Kündigung zur Folge haben.
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