Freistellungswahl: müssen Teilfreistellungen vor der Wahl beschlossen werden?

Ist ein Betriebsrat gewählt und sind Betriebsratsmitglieder für ihre Betriebsratstätigkeit freizustellen, erfolgt eine sog. Freistellungswahl. In dieser Wahl bestimmen die Betriebsratsmitglieder, welche Mitglieder freigestellt werden sollen.

Möglich ist neben einer „Vollfreistellung“ grundsätzlich auch eine „Teilfreistellung“. Allerdings kann sich hier die Frage stellen: Muss vor der eigentlichen Freistellungswahl ausdrücklich vom Betriebsrat beschlossen werden, dass auch die Wahl von Teilfreigestellten möglich ist? Darüber entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Fall, in dem grundsätzlich zwei Betriebsratsmitglieder Vollzeit gem. § 38 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) freigestellt werden mussten (BAG, Beschluss v. 24.03.2021, Az.: 7 ABR 6 /20).

Was ist eine Freistellungswahl?

Ab einer bestimmten Unternehmensgröße müssen in einem Betriebsrat Betriebsratsmitglieder von ihrer Arbeitsverpflichtung freigestellt werden, um ihren Aufgaben als Betriebsrat gerecht werden zu können. Eine vollständige Freistellung ist laut § 38 BetrVG allerdings erst ab einer Unternehmensgröße von mindestens 200 Arbeitnehmern notwendig – die Anzahl der freizustellenden Mitglieder richtet sich auch nach der Unternehmensgröße.

In der Freistellungswahl wählt der Betriebsrat dann aus Vorschlägen, welche Mitglieder in welchem Umfang freigestellt werden sollen. Möglich ist dabei, dass eine Vollfreistellung in Teilfreistellungen aufgeteilt wird.

! Der Umfang der Vollfreistellung in Stunden richtet sich nach der Zahl der Arbeitsstunden in Vollzeit im Unternehmen. Arbeitet man im Unternehmen in Vollzeit 40 Stunden, ist eine Vollfreistellung eine Freistellung für 40 Arbeitsstunden. Entsprechend können 40 Stunden Vollfreistellung auch z.B. auf zwei Betriebsratsmitglieder mit 12 Stunden und 28 Stunden aufgeteilt werden (Teilfreistellung).

Uneinigkeit über Verteilung der Freistellung

Im Fall vor dem BAG waren in einem Betriebsrat aufgrund der Größe des Unternehmens zwei Betriebsratsmitglieder Vollzeit freizustellen. Bereits vor der eigentlichen Freistellungswahl war man sich im Betriebsrat uneinig, ob man auch eine Aufteilung einer Vollfreistellung in zwei Teilfreistellungen ermöglichen wolle.

Ein ausdrücklicher Beschluss wurde darüber aber nicht gefasst, sondern zwei Wahlvorschläge gemacht: ein Vorschlag beinhaltete 2 Vollfreistellungen (jeweils 38 Std.), ein zweiter Vorschlag vier Teilfreistellungen (27 Std. und 11 Std.; 30 Std. und 8 Std.).

Gewählt wurden letztlich aus diesen Vorschlägen 3 freizustellende Betriebsratsmitglieder: Ein Mitglied sollte in Vollzeit freigestellt werden (38 Std.), zwei Mitglieder in Teilzeit (27 Std. und 11 Std.).

Mit dieser Wahl waren einige Betriebsratsmitglieder nicht einverstanden und fochten die Freistellungswahl an: Es hätte vor der Wahl ein Beschluss ergehen müssen, dass auch Teilfreistellungen zulässig sind. Die Freistellungswahl sei deshalb nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die Entscheidung des BAG

Die Richter waren allerdings der Auffassung, dass die Anfechtung nicht begründet war und die Freistellungswahl damit ordnungsgemäß durchgeführt.

Ein konkludenter Beschluss des Betriebsrats darüber, dass eine Aufteilung in Teilfreistellungen erfolgen kann, erfolgte nicht. Ein solcher Beschluss wäre aber auch nicht notwendig gewesen. Denn bereits der Wortlaut von § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG spreche gegen eine Pflicht, vor der Wahl zunächst per Beschluss festzulegen, ob und ggf. in welchem Umfang Teilfreistellungen vorgenommen werden. Denn die Norm sieht von sich aus Freistellungen auch in Form von Teilfreistellungen vor. Damit sind Teilfreistellungen von Gesetzes wegen möglich. Zudem stellte das Gericht ausdrücklich fest: Hätte der Gesetzgeber einen vorhergehenden Beschluss für notwendig gehalten, hätte er das durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck gebracht.

Letztlich würde diese Auslegung von § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auch dem Anliegen des Gesetzgebers entsprechen, Teilzeitkräften die Chance zu geben, sich in der Betriebsratsarbeit zu engagieren und sich dafür entweder vollständig oder auch nur teilweise von ihrer Arbeit freistellen zu lassen.

Wahl dennoch unwirksam

Und doch erklärte das Gericht letztlich die Freistellungswahl für unwirksam. Der Grund dafür war allerdings, dass die Wahlliste für die Freistellungswahl Kandidatenpaare vorsah und nicht die wählbaren Betriebsratsmitglieder einzeln auflistete. Denn eine Aufstellung von Kandidatenpaaren ist nicht zulässig, da u.a. im Falle des Ausscheidens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht zu ermitteln sei, welches Betriebsratsmitglied in welchem Umfang in die Freistellung nachrückt.

Fazit

Ein vorangehender Beschluss darüber, dass bei einer Freistellungswahl Kandidaten für Teilfreistellungen zur Wahl stehen, ist nicht notwendig. Sollen derartige Kandidaten bzw. Kandidatinnen allerdings zur Wahl aufgestellt werden, ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Kandidatinnen und Kandidaten einzeln und nicht als Paare oder Gruppen aufgestellt werden. Andernfalls kann eine Freistellungswahl anfechtbar sein.

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