Der Betriebsratsvorsitzende ist krank und der Stellvertreter ist nicht erreichbar. Kann in diesem Fall ein anderes Betriebsratsmitglied die Betriebsratssitzung einberufen? Und sind Beschlüsse, die die Betriebsratsversammlung nach einer Einberufung durch ein „normales“ Betriebsratsmitglied fasst, wirksam?
Nein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss v. 28.07.2020, Az.: 1 ABR 5/19). Denn Betriebsratsversammlungen sind nach § 29 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom Vorsitzenden des Betriebsrats oder dessen Stellvertreter einzuberufen.
Der Fall: Einberufung ohne Betriebsratsvorsitzenden bzw. Stellvertreter
Im Fall vor dem BAG ging es um die Frage, ob das Arbeitgeberunternehmen verpflichtet war, im Zusammenhang mit einer Umgruppierung von Arbeitnehmern nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein sog. Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, um die Umgruppierung wirksam vornehmen zu können.
Das Arbeitgeberunternehmen hatte die Zustimmung des Betriebsrats zu einer solchen Maßnahme beantragt, der Betriebsrat hatte jedoch seine Zustimmung verweigert. Nach Auffassung des Arbeitgebers existierte diese Zustimmungsverweigerung jedoch nicht, da der zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss unwirksam war.
Unstreitig war, dass der Betriebsratsvorsitzende zur Zeit der Einberufung arbeitsunfähig krank und nach § 38 Abs. 1 BetrVG von seiner Arbeitspflicht freigestellt war. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende war im Urlaub.
Deshalb lud ein „normales“ Betriebsratsmitglied in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden alle Betriebsratsmitglieder zu der Betriebsratssitzung ein, in der über die Zustimmung zur Umgruppierung entschieden werden sollte. Für die Einladungen verwendete es den passwortgeschützten E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden, unterzeichnete die E-Mail allerdings mit seinem eigenen Namen. In der entscheidenden Betriebsratssitzung beschlossen die Betriebsratsmitglieder einstimmig, die Zustimmung zu der Umgruppierung zu verweigern.
Der Arbeitgeber führte die Umgruppierung ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats und ohne Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens durch: man war der Auffassung, dass der Betriebsratsbeschluss über die Zustimmungsverweigerung unwirksam war. Der Betriebsrat habe damit die Zustimmung gem. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht fristgerecht verweigert. Die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens sei deshalb nicht notwendig gewesen.
Da Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht darüber einig waren, ob die Umgruppierung wie geschehen hätte stattfinden dürfen bzw. ob sie wirksam war, musste letztlich das BAG entscheiden, ob der Arbeitgeber die Umgruppierung trotzt der ausgesprochenen Zustimmungsverweigerung vornehmen durfte.
Fehlerhafte Ladung: Betriebsratsbeschluss über Zustimmungsverweigerung unwirksam
Das BAG entschied, dass die Voraussetzungen für die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht vorlagen. Der Betriebsrat habe die Zustimmung nicht wirksam verweigert. Damit war der Arbeitgeber nicht zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet. Der Arbeitgeber konnte die Umgruppierung deshalb auch ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats wirksam durchführen.
Der Betriebsrat habe die Zustimmungsverweigerung zur Umgruppierung zwar beschlossen und mitgeteilt. Der zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss war jedoch wegen fehlerhafter Einberufung der Betriebsratsmitglieder unwirksam – damit auch die Zustimmungsverweigerung.
Da weder der Betriebsratsvorsitzende noch dessen Stellvertreter die Versammlung einberufen hatten, hätte ein Ladungsfehler vorgelegen. Eine wirksame Ladung ist allerdings nach § 29 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Voraussetzung für eine wirksame Einberufung der Betriebsratsversammlung und damit für wirksame Beschlüsse des Betriebsrates.
Selbst die Tatsache, dass die Einladungen über den E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden in seiner Anwesenheit verschickt wurden, ändert daran nichts. Denn der Betriebsratsvorsitzende war arbeitsunfähig erkrankt und von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt. Das führt dazu, dass ein gem. § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied – wie hier der Betriebsratsvorsitzende – an der Wahrnehmung seines Amts verhindert ist.
Damit führt die fehlerhafte Ladung zur Unwirksamkeit aller Beschlüsse, die in der Betriebsratsversammlung gefasst wurden, zu der fehlerhaft geladen wurde.
Fazit: Betriebsräte sollten Ladungsfehler nicht unterschätzen
Der BAG-Fall zeigt, welche weitreichenden Konsequenzen eine fehlerhafte Einberufung der Betriebsratsversammlung haben kann: Verstöße gegen gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die formellen Anforderungen an die Ladung zur Betriebsratsversammlung machen den Betriebsratsbeschluss insgesamt unwirksam.
Wichtig ist das vor allem für Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreter. Denn für eine wirksame Ladung und damit wirksame Beschlüsse sind sie unverzichtbar! Das wird vor allem im Falle einer krankheitsbedingten Verhinderung wichtig. Betriebsräte sind damit gut beraten, für den Fall einer vorübergehenden Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ggf. Vertretungsregelungen z.B. in der Geschäftsordnung des Betriebsrates zu treffen.
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