Günstigkeitsvergleich im Arbeitsrecht: welche Kündigungsfrist gilt?

Kündigungsfristen für Arbeitgeberkündigungen werden im Arbeitsvertrag nicht selten abweichend von den gesetzlichen Kündigungsfristen festgelegt. Was gilt aber, wenn die gesetzlichen Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer günstiger sind als eine vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist? Welche Frist kommt dann zur Anwendung? Damit hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil auseinandergesetzt (BAG, Urteil v. 29.01.2015 – 2 AZR 280/14).

Verlängerung Kündigungsfrist für Arbeitgeber möglich

Die Fristen für Arbeitgeberkündigungen sind zum Schutz der Arbeitnehmer gesetzlich geregelt. § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) legt diese gesetzlichen Kündigungsfristen fest und folgt dabei einem Schema: Je länger der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, desto länger ist die Frist, die der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Mitarbeiters beachten muss. So legt § 622 BGB fest, dass ein Arbeitsverhältnis, das mehr als 20 Jahre besteht, mit einer Frist von sieben Monaten zum Ende eines Monats gekündigt werden kann.
Eine Verkürzung dieser Kündigungsfristen ist nur im Ausnahmefall möglich, die Verlängerung der gesetzlichen Fristen für eine Arbeitgeberkündigung ist hingegen grundsätzlich unproblematisch.

Fall: Streit über Anwendung der Kündigungsfrist

Ein Unternehmen sprach im Dezember 2012 unter „Wahrung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist“ gegenüber einer Mitarbeiterin eine betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 2013 aus. Der Betrieb des Unternehmens sollte eingestellt werden. Die arbeitsvertragliche Regelung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses lautet dabei wie folgt:

„Die Kündigungsfrist beträgt beiderseits sechs Monate zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres.“

Allerdings war die Arbeitnehmerin der Auffassung, dass für die Kündigung die gesetzliche Kündigungsfrist gelten müsse. Damit wäre die Kündigung im Dezember 2012 mit einer gesetzlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende zum 31. Juli 2013 wirksam gewesen, nicht zum 30. Juni 2013. Das Arbeitsgericht Berlin schloss sich dieser Auffassung an. Anders das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin: es kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigung zum 30. Juni 2013 wirksam wurde, weil die vertragliche Kündigungsfrist maßgeblich sei.

Letzte Instanz BAG: Günstigkeitsvergleich der Kündigungsfristen

Letztlich entschied das BAG und bestätigte die Auffassung der Klägerin. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung mit der gesetzlichen, nicht mit der vertraglichen Kündigungsfrist beendet, also zum 31. Juli 2013. Dabei betonten die Richter: Geht es um die Frage, ob die gesetzliche oder eine arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist zur Anwendung kommt, muss ein sog. Günstigkeitsvergleich zwischen den jeweiligen Kündigungsregelungen stattfinden.

Dieser Vergleich muss dabei abstrakt erfolgen und nicht bezogen auf den konkreten Kündigungstermin. Denn bei den gesetzlichen Kündigungsfristen handelt es sich um Mindestfristen zum Zwecke des Arbeitnehmerschutzes. Deshalb würde es nicht ausreichen, dass die arbeitsvertragliche Frist zur Arbeitgeberkündigung dem Arbeitnehmer für einen überwiegenden Teil des Jahres Kalenderjahres besseren Schutz gewährt. Maßgeblich sei die Fristenregelung – ob gesetzlich oder vertraglich –, die dem Arbeitnehmer immer besseren Schutz böte.

Im Fall der gekündigten Arbeitnehmerin war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 30. Juni bzw. 31. Dezember arbeitsvertraglich geregelt. Im unmittelbaren Vergleich mit der anzuwendenden gesetzlichen Regelung nach BGB war diese Regelung jedoch nur in acht von zwölf Monaten des Jahres für die Arbeitnehmerin „günstiger“. Insofern war die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten für die Klägerin abstrakt günstiger und damit auf die Kündigung anzuwenden. Das Urteil des BAG lautete also folgerichtig: die Kündigung aus dem Dezember 2012 wurde zum 31. Juli 2013 wirksam.

Fazit

Sind in einem Arbeitsvertrag Kündigungsbedingungen vereinbart, die von gesetzlichen Kündigungsregelungen für Arbeitgeberkündigungen abweichen, müssen diese Kündigungsfristen in einem Günstigkeitsvergleich gegenübergestellt werden. So kann ermittelt werden, welche Regelung zur Anwendung kommt und damit, welcher Kündigungszeitpunkt wirksam ist.
Maßgeblich ist dann, welche Kündigungsregelung abstrakt – nicht im Vergleich zum konkreten Kündigungszeitpunkt! –, vorteilhafter für den Arbeitnehmer ist.

Sind Sie nicht sicher, ob im Falle Ihrer Kündigung die gesetzliche oder die Kündigungsfrist aus dem Arbeitsvertrag gilt? Ich prüfe das gerne für Sie – sprechen Sie mich einfach konkret darauf an. Sie erreichen mich telefonisch unter 0821 / 207 137 55 oder per E-Mail an .