Der Anspruch auf Homeoffice ist derzeit immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. Denn der Arbeitsminister will diesen Anspruch – angesichts der aktuellen Corona-Pandemie – gesetzlich verankern. Arbeitnehmer freut diese Aussicht, Arbeitgeber bleiben (mehr als) skeptisch.
Denn zum einen ist Homeoffice häufiger sinnvoll und möglich als bisher angenommen. Zum anderen ist der Arbeitsplatz im Büro vor allem für Arbeitnehmer, die zu den Risikogruppen (Vorerkrankungen, Alter etc.) zählen, durchaus mit Risken und Unwägbarkeiten verbunden. Das gilt vor allem, wenn der Arbeitnehmer sich mit Kollegen in einem Raum aufhalten muss.
Aber hat man als Angehöriger einer Risikogruppe Anspruch auf Homeoffice – unabhängig von der derzeit (10/2020) angedachten gesetzlichen Regelung? Damit befasste sich das Arbeitsgericht Augsburg (Beschl. v. 07.05.2020 – 3 Ga 9/20). Rechtskräftig ist diese Entscheidung jedoch nicht – eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) München im Berufungsverfahren ist bisher (10/2020) nicht gefallen.
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Geht es darum, wo der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nachkommen soll, hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein Weisungsrecht. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Gewerbeordnung (GewO) und § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Damit entscheidet der Arbeitgeber auch darüber, ob ein Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten darf oder nicht und ob er unter Umständen auch Veranstaltungen vor Ort durchführen muss. Weil der Arbeitnehmer sich dem Weisungsrecht fügen muss, trifft den Arbeitgeber im Gegenzug die Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer sicher ist. Der Arbeitgeber muss gem. § 618 BGB für Schutzmaßnahmen sorgen. Er muss das Büro bzw. den Arbeitsplatz so gestalten, dass der Arbeitnehmer – so gut es im jeweiligen Kontext geht – „gegen Gefahr für Leben und Gesundheit“ geschützt ist.
Diese Vorschrift hat im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine neue Dimension erhalten. Denn „Gefahr für Leben und Gesundheit“ kann vor allem für Angehörige von Risikogruppen aktuell von nahezu jedem Kollegen im selben Raum ausgehen.
63-Jähriger im Doppelbüro
Ein Arbeitnehmer, der seit rund 25 Jahren im Arbeitgeberunternehmen in einer klassischen Bürotätigkeit tätig war, arbeitete Anfang 2020 in einem Zweier-Büro. Er zählt mit 63 Jahren im Hinblick auf das Risiko einer Corona-Infektion zur Risikogruppe der über 60-Jährigen. Zudem verfügte er über ein ärztliches Attest aus dem April 2020.
Aus beidem zusammen leitete der Angestellte einen Anspruch auf Homeoffice her – wenigstens jedoch einen Anspruch auf ein Einzelbüro. Nur wenn sein Arbeitgeber einem dieser Ansprüche nachkäme, würde das den Schutz entsprechend § 618 BGB gewährleisten. Das gelte wenigstens für die Zeit, in der für ihn in der derzeitigen Arbeitsplatzsituation Ansteckungsgefahr bestünde. Gleichzeitig war er der Meinung, dass er unter den aktuellen Umständen keine Veranstaltungen „vor Ort“ abhalten müsse. Beides sah der Arbeitgeber anders. Ein Anspruch auf Homeoffice bestünde nicht, die Präsenzveranstaltungen seinen ohnehin nicht in dieser Form geplant. So ging der Streit vor Gericht.
Klage auf Feststellung des Homeoffice-Anspruchs
Das Arbeitsgericht Augsburg sollte auf Antrag des Arbeitsnehmers hin feststellen, dass er Anspruch auf Homeoffice habe, jedenfalls aber auf ein Einzelbüro.
Aber auch die Richter kamen zu dem Ergebnis: Beide Ansprüche bestehen nicht – nicht aus Gesetz, nicht aus Vertrag. Letztlich würde auch § 618 BGB zu keinem anderen Ergebnis führen. In der Wahl der Schutzmaßnahmen sei der Arbeitgeber frei. Jedenfalls sei – so die Richter – zuhause zu arbeiten nicht die einzig vorstellbare geeignete Schutzmaßnahme, ein Einzelbüro ebenso nicht. Auch in einem Mehrpersonen-Büro seien andere effektive Schutzmaßnahmen denkbar und möglich.
Bedeutung für die Praxis
Urteile anderer Arbeitsgerichte in vergleichbaren Konstellationen können auch anders ausfallen. Das gilt, solange keine im Gesetz verankerte Regelung des Anspruchs auf Homeoffice erlassen wird. Zudem ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts hier noch nicht ergangen (Stand 05.10.2020).
Und dass das LAG den Fall anders beurteilt, ist nicht vollkommen unvorstellbar: Die Rechtsprechung zum Anspruch auf Homeoffice entstammt einer Zeit, in der sich niemand über ein derart ansteckendes Virus Gedanken machte – ein Virus, gegen das aktuell auch keine Impfung möglich ist. Denn es ist nicht zu leugnen, dass von diesem Virus aktuell bereits aufgrund der körperlichen Gegenwart anderer Menschen in einem Raum eine nie dagewesene Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Letztlich könnte es somit sinnvoll sein, dass über diese Frage auch in höheren Instanzen neu entschieden wird, solange eine gesetzliche Regelung nicht besteht.
Wollen Sie im Homeoffice arbeiten, da Sie zu einer Risikogruppe gehören? Kontaktieren Sie mich unter 0821 / 207 137 55 oder schreiben Sie eine E-Mail an . Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht beantworte Ihre Fragen gerne.