Bei einer Betriebsratswahl kann viel schiefgehen. Genau aus diesem Grund gibt es zahlreiche Möglichkeiten, eine solche Wahl anzugreifen. Doch was ist, wenn Arbeitnehmer bereits während des Wahlverlaufs einen Abbruch der Wahl fordern?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hatte über einen solchen Fall zu entscheiden (LAG Hessen, Beschluss vom 14.09.2020, Az.: 16 TaBVGa 127/20). Eine interessante Entscheidung! Denn eine gesetzliche Grundlage, die Betriebsratswahl abzubrechen, gibt es nicht.
Betriebsratswahl: Wahlabbruch gesetzlich nicht vorgesehen
Auch wenn eine gesetzliche Grundlage für den Abbruch einer Betriebsratswahl fehlt: laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann ein Anspruch auf Wahlabbruch ausnahmsweise bestehen, wenn zu erwarten ist, dass die Betriebsratswahl nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit nach § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) reicht nicht.
Der wesentliche Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit: eine nichtige Betriebsratswahl gilt als nie erfolgt, der so gewählte Betriebsrat als nicht existent. Beschlüsse eines so „gewählten“ Betriebsrats sind auch rückwirkend unwirksam. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Nichtigkeit sind deshalb sehr eng. Laut BAG ist eine Betriebsratswahl nur bei groben und offensichtlichen Wahlrechtsverstößen nichtig – sie muss quasi „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“.
Anders bei der Anfechtungsklage nach § 19 BetrVG. Hier wird die Wahl „nur“ für unwirksam erklärt. Der Betriebsrat ist erst nach Rechtskraft der Entscheidung seines Amtes enthoben. Bis dahin gefasste Beschlüsse bleiben bestehen.
Der Fall: Betriebsratswahl bei Teilbetrieb und doppelte Wahlvorstandsbestellung
Vor dem LAG Hessen ging es um eine Betriebsratswahl, die für zwei von drei Teilbetrieben (A, B, C) eines Gemeinschaftsbetriebes (G) durchgeführt wurde. Der Gemeinschaftsbetrieb gehört zum Konzernbetrieb (K), der über einen Konzernbetriebsrat verfügt.
Nach spezieller Vereinbarung sollte für den Betrieb A ein eigenständiger, für die Betriebe B und C ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden. Dazu wurden zwei Betriebsratswahlen durchgeführt, die später angefochten wurden.
Die Betriebsratswahl für die Teilbetriebe B und C wurde für unwirksam erklärt. In der Folge wurde neu gewählt. Den Wahlvorstand dafür setzte der in der ersten Wahl unwirksam gewählte Betriebsrat ein. Der Konzernbetriebsrat hielt das für unwirksam und setzte ebenfalls den Wahlvorstand aus den gleichen Personen für die neue Betriebsratswahl ein.
Die Arbeitnehmer des Teilbetriebs B beantragten daraufhin den Abbruch der Betriebsratswahl beim Landesarbeitsgericht Hessen: Der Betriebsbegriff sei verkannt. Es stehe schon gar nicht fest, ob überhaupt ein Gemeinschaftsbetrieb vorliege und separate Betriebsratswahlen zulässig sind. Der Wahlvorstand sei außerdem nicht wirksam bestellt.
Kein Abbruch bei Verkennung Betriebsbegriff bzw. fehlerhafter Bestellung Wahlvorstand
Das LAG Hessen lehnte den Antrag ab. Ein Abbruch der Betriebsratswahl komme nicht in Betracht, da die vorgetragenen Abbruchgründe die Wahl nicht nichtig machen würden.
Die Frage, ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt, für den ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist (Frage nach der Verkennung des Betriebsbegriffs), führt zur Anfechtbarkeit der Wahl, nicht zu ihrer Nichtigkeit. Etwas anderes gilt laut BAG nur, wenn eine Betriebsratswahl entgegen einer bindenden Gerichtsentscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchgeführt wird, in der über die Frage entschieden wurde, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt. Verneint das Gericht das und wird dennoch eine einheitliche Betriebsratswahl durchgeführt, ist die Wahl anfechtbar, aber nicht offensichtlich nichtig. Ein Abbruch kommt dann nicht in Betracht.
Auch die fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstands rechtfertigt keinen Abbruch der Betriebsratswahl. Nur wenn der Fehler so schwer wiegt, dass nicht einmal der Anschein besteht, dass ein ordnungsgemäß bestellter Wahlvorstand existiert, ist ein Abbruch denkbar. Das sei in diesem Fall nicht der Fall. Zwar sei die Bestellung des Wahlvorstands fehlerhaft gewesen, da weder der unwirksam gewählte Betriebsrat noch der Konzernbetriebsrat zuständig waren. Dieser Fehler ist aber nicht so offensichtlich, dass deshalb eine Nichtigkeit der Betriebsratswahl droht. Ein Abbruch der Wahl wegen offensichtlicher Nichtigkeit war aus Sicht der Richter auch deswegen nicht möglich.
Fazit: Strenge Voraussetzungen für Wahlabbruch
Das LAG folgt mit seiner Entscheidung der Linie des BAG: nichtig ist eine Betriebsratswahl nur in Ausnahmefällen und damit ist auch ein Abbruch nur in Ausnahmefällen möglich. Meist wird also eine Anfechtung des Ergebnisses der rechtlich richtige Weg sein.
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