Wenn sich ein Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) krankmeldet, sollte er grundsätzlich während der Zeit der Krankschreibung nicht für einen anderen Auftraggeber arbeiten. Denn der Arbeitgeber kann dann den Arbeitsvertrag unter Umständen fristlos kündigen.
Gilt das aber auch, wenn sich eine Auszubildende tagsüber bei ihrem Ausbilder arbeitsunfähig krankmeldet und abends kellnern geht? Damit hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln auseinandergesetzt (LAG Köln Urteil v. 16.10.2014 – Az.:7 Sa 426/14).
Arbeiten trotz AU: fristlose Kündigung möglich?
Ein Arbeitsverhältnis kann von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Gleiches gilt nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG (Berufsbildungsgesetz) für Ausbildungsverhältnisse.
Ein wichtiger Grund für eine Kündigung kann u.a. darin liegen, dass ein Arbeitnehmer vorgibt, krank zu sein und nicht arbeiten zu können, obwohl das nicht stimmt. Hierin kann eine schwerwiegende Arbeitsvertragsverletzung liegen, die den Arbeitgeber zur (fristlosen) Kündigung berechtigt.
Auszubildende gekündigt: Der Fall vor dem LAG Köln
Aber gilt das ohne Einschränkungen auch für Ausbildungsverhältnisse? Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das LAG Köln: Eine Auszubildende im Einzelhandel hatte sich für Samstag, den 9. November, in ihrem Ausbildungsbetrieb wegen Rückenschmerzen telefonisch krankgemeldet. Am Abend ging sie trotzdem auf einer Karnevalsveranstaltung kellnern. Dabei wurde Sie von einer Kollegin gesehen. Am Montag, den 11. November, reichte die in der Woche zuvor erkrankte Mitarbeiterin auf Verlangen des Arbeitgebers eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach. Der Arbeitgeber kündigte das Ausbildungsverhältnis am 14. November fristlos.
Hiergegen wehrte sich die Auszubildende mit einer Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Köln hielt die Kündigung für unwirksam. Das Ausbildungsverhältnis sei durch die Kündigung nicht beendet worden.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln
Das LAG Köln folgte dieser Entscheidung. Der Ausbilder sei verpflichtet, die Auszubildende weiterhin zu unveränderten Bedingungen des Ausbildungsvertrags auszubilden. Zwar stelle es regelmäßig einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar, wenn ein Arbeitnehmer eine AU vorlege und im selben Zeitraum für einen anderen Auftraggeber tätig werde. Es seien allerdings stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Hier habe die Auszubildende zweifellos ihre Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis verletzt. Es seien aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie das getan habe, um ihren Ausbildungsbetrieb zu schädigen und Lohnfortzahlung zu erschleichen.
Nach Angaben der Auszubildenden hat sie tatsächlich am Morgen des 9. November starke Rückenschmerzen gehabt. Daher habe sie sich ins Bett gelegt und Schmerzmittel genommen. Als eine Freundin sie am Nachmittag gefragt habe, ob sie beim Kellnern für die Freundin einspringen könne, sei es ihr schon besser gegangen und sie habe sich hierzu breitschlagen lassen. Geld habe sie für ihren Einsatz keines bekommen. Diese Ausführungen der Auszubildenden ließen die Angelegenheit bereits in einem milderen Licht erscheinen und seien vom Arbeitgeber auch nicht widerlegt worden.
Besonderheiten im Ausbildungsverhältnis
Schließlich führt nach Ansicht des LAG auch die beiderseitige Interessenabwägung dazu, dass das Interesse der Auszubildenden an der Fortführung des Ausbildungsverhältnisses das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung überwiege.
Hierbei sei insbesondere der Zweck des Ausbildungsverhältnisses zu berücksichtigen, dem Auszubildenden das „richtige“ Verhalten am Arbeitsplatz nahezubringen. Der Ausbilder habe eine höhere Frustrationstoleranz mitzubringen als ein „normaler“ Arbeitgeber. Außerdem sei die Kündigung für Auszubildende mit einer unzumutbaren Härte verbunden, da sie es aufgrund der Kündigung schwer haben werde, einen gleichwertigen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Bedeutung für die Praxis
Auch Ausbildungsverhältnisse können aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Die Voraussetzungen sind allerdings strenger als in „normalen“ Arbeitsverhältnissen. Ausbilder haben gegenüber ihren Auszubildenden so etwas wie einen Erziehungsauftrag, der sie zu mehr Toleranz bei Fehlverhalten verpflichtet.
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