Die Verlegung des Arbeitsplatzes im selben Betrieb oder der Umzug in ein anderes Bürogebäude ist bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen meist wenig beliebt. Damit deren Belange bei der Entscheidung über Arbeitsstandorte ausreichend Berücksichtigung finden, hat der Betriebsrat in solchen Fällen ein Mitbestimmungsrecht — zumindest bei einer sog. Versetzung.
Doch wann liegt eine Versetzung vor? Reicht der Umzug in ein neues Bürogebäude? Darüber hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden (Beschluss v. 17.11.2021, Az.: 7 ABR 18/20).
Was ist eine mitbestimmungspflichtige Versetzung?
Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung ist eine Versetzung, bei der dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Nach §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) liegt unter folgenden Voraussetzungen eine zustimmungspflichtige Versetzung vor:
- Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs
- für die Dauer von mindestens einem Monat und mehr oder
- verbunden mit erheblichen Änderungen der Arbeitsumstände.
In einem solchen Fall braucht der Arbeitgeber dann vor der Durchführung der Versetzung die Zustimmung des Betriebsrats. Versäumt er die Einholung der Zustimmung, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Maßnahme aufzuheben (§ 101 BetrVG).
Um so einen Aufhebungsantrag ging es im Fall vor dem Bundesarbeitsgericht.
Ein Büro zieht um – zustimmungspflichtige Versetzung?
Ein Betriebsrat stritt mit dem Arbeitgeberunternehmen wegen der Verlagerung des Beschäftigungsorts mehrerer Arbeitnehmer*innen und verlangte die Aufhebung der Maßnahme.
Das Arbeitgeberunternehmen informierte den Betriebsrat, dass der Umzug von 59 Arbeitnehmer*innen einer Büroabteilung innerhalb Berlins geplant sei. Sie sollten von einem Bürogebäude in ein 12,1 km entferntes Bürogebäude umziehen. Am bisherigen Standort waren die Mitarbeiter*innen etwa zur Hälfte in einem Großraumbüro und in mehreren kleineren Büros untergebracht. Am neuen Standort sollten alle Mitarbeitenden in zwei Großraumbüros an Desk-Sharing-Arbeitsplätzen arbeiten. Die Art der Tätigkeiten, die funktionalen Beziehungen der betroffenen Mitarbeitenden untereinander, die Einordnung in die Arbeitsabläufe und die Zuständigkeiten von Vorgesetzten sollten sich nicht ändern.
Diesen Umzug setzte das Arbeitgeberunternehmen ohne Beteiligung des Betriebsrats um. Der Betriebsrat sah darin einen Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht. Die Verlagerung der Arbeitnehmer*innen durch den Umzug in ein neues Büro sei eine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Da die Maßnahme ohne Beteiligung des Betriebsrats umgesetzt wurde, sei sie nach § 101 BetrVG aufzuheben.
Das Arbeitsgericht (ArbG) wies den Antrag des Betriebsrats auf Aufhebung der Versetzung ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats wies das Landesarbeitsgericht (LAG) zurück. Daraufhin erhob der Betriebsrat Rechtsbeschwerde zum BAG.
BAG: Räumliche Verlagerung ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung
Das BAG teilte die Auffassung des Betriebsrats nicht. Das Arbeitgeberunternehmen sei nicht verpflichtet, die Verlegung der Arbeitsplätze nach § 101 BetrVG aufzuheben. Die Maßnahme sei ohne Zustimmung des Betriebsrats zulässig gewesen: die örtliche Verlagerung einer Betriebsabteilung innerhalb einer politischen Gemeinde sei keine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach §§ 99 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 3 BetrVG.
Der Arbeitsortwechsel ändere die funktionalen Beziehungen der Arbeitnehmer*innen untereinander und die Art ihrer Tätigkeit nicht. Auch die Einordnung in die Arbeitsabläufe des Betriebs und die Zuständigkeiten von Vorgesetzten blieben gleich. Denn den Betroffenen würde durch den Umzug in ein neues Büro kein anderer Arbeitsbereich zugewiesen. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handele es sich nur, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit der Mitarbeitenden so verändere, dass die neue Tätigkeit als eine „andere“ anzusehen wäre. Das sei hier nicht der Fall.
Die räumliche Entfernung von 12 km spiele hierbei keine Rolle. Das gelte wenigstens, solange die Verlagerung der Betriebsstätte innerhalb einer Gemeinde ohne sonstige Änderungen der betrieblichen Strukturen stattfindet. Zwar bewirke eine Standortverlagerung teilweise eine nicht unerhebliche Änderung der Wegzeiten für die betroffenen Arbeitnehmer*innen, habe aber keinen Einfluss auf den Arbeitsbereich. Eine Änderung des Arbeitsbereichs sei auch nicht darin zu sehen, dass es am neuen Standort ausschließlich Gemeinschaftsbüros mit Desk-Sharing-Arbeitsplätzen gibt.
Rein räumliche Veränderung ist keine Versetzung
Das BAG macht hier deutlich, worum es bei der mitbestimmungspflichtigen Versetzung geht: Die Änderung des Arbeitsbereichs betroffener Mitarbeitender. Gibt es für Mitarbeitende bei der räumlichen Verlegung des Arbeitsplatzes keine Auswirkungen auf den Arbeitsbereich, ist der Betriebsrat nicht zu beteiligen.
Ihr Arbeitgeber plant Ihre Versetzung? Sie sind nicht sicher, ob das ohne Zustimmung des Betriebsrats geht? Ich beantworte gerne Ihre Fragen zum Thema! Sie erreichen mich telefonisch unter 08215 / 08 526 60 oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.